Arbeitslosigkeit neu denken

Arbeitslosigkeit neu denken
Bestandsaufnahme vor der Enquete des Arbeitsministers

Jahrzehntelang zählte Österreich bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu den besten Ländern, heute sind wir nur mehr Mittelmaß. Seit den 1990er-Jahren ist die Zahl der Arbeitslosen um etwa 100.000 gestiegen. Zum Höhepunkt der Corona-Krise waren mehr als eine halbe Million Menschen arbeitslos oder in Schulung.

Trotzdem scheint die Zeit dauerhaft hoher Arbeitslosigkeit zu Ende zu gehen. In Deutschland sinkt die Arbeitslosenquote seit 2005. In Österreich ist dies erst seit 2017 der Fall. Diese Trendumkehr hat demografische Gründe. Große Kohorten verlassen altersbedingt den Arbeitsmarkt, kleine kommen nach. Weniger Jobs werden in das Ausland ausgelagert, weil dort die Löhne gestiegen sind und Handelsbarrieren zunehmen. Die Folge: Die Zahl der Arbeitslosen pro freie Stelle ist so niedrig wie seit mehr als 30 Jahren nicht. Waren früher die Stellen knapp, so sind es nun immer mehr die Arbeitskräfte, die auf diese Stellen passen.

Gleichzeitig sind immer noch etwa 400.000 Menschen auf Arbeitsuche oder in Schulung. Im internationalen Vergleich ist der Anteil der Menschen mit Jobs in der arbeitsfähigen Bevölkerung mit aktuell 73 Prozent niedrig. In den Niederlanden liegt er etwa bei 81 Prozent. Es gibt also noch ein erhebliches Mobilisierungspotenzial.

Die geplante Reform sollte zwei fundamentale Ziele haben: Erstens, die Effizienz der Arbeitsmarktinstitutionen zu steigern, und zweitens, die Teilnahme am Arbeitsmarkt attraktiver zu machen. Zielkonflikte, etwa wenn Verschärfungen in der Arbeitslosenversicherung dazu führen, dass Menschen aus dem Arbeitsmarkt aussteigen, sind zu vermeiden.

WIFO-Studien zeigen, dass die Effizienz des Arbeitsmarktes durch eine bessere Vermittlung von Arbeitslosen und freien Stellen gesteigert werden kann. Dazu ist eine Erhöhung der AMS-Betreuungsrelation notwendig.

Auch ein degressives Arbeitslosengeld, bei dem die Lohnersatzrate in den ersten Monaten der Arbeitslosigkeit höher ist als in späteren, hilft. Allerdings sind die Effekte klein. Es ist zudem ratsam, Fehlanreize zu minimieren. Firmen, die häufige Trennungen verzeichnen, sollten höhere Beiträge zahlen als solche, die sehr selten Arbeitnehmer freisetzen. Der Bezug von Arbeitslosengeld für eine Periode geplanter Arbeitslosigkeit zwischen zwei Jobs sollte erschwert werden.

Die Effizienzgewinne können eingesetzt werden, um das System insgesamt generöser und die Beiträge im Durchschnitt geringer werden zu lassen. Auch muss endlich die Steuer- und Abgabenbelastung auf Arbeit gesenkt werden. Das deutsche Modell könnte als Vorbild dienen: wenn die Notstandshilfe nicht mehr aus den Mitteln der Arbeitslosenversicherung, sondern aus dem allgemeinen Budget bezahlt wird, wo Sozialleistungen auch hingehören, könnten die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung deutlich fallen.

Gabriel Felbermayr ist Chef des WIFO.

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