„Leader-less, party-less, fear-less“ – so lautet die Losung der jungen Leute, die seit rund zwei Wochen in Kenia auf die Straße gehen. „Wir haben die Nase voll, unsere Generation lässt sich nicht mehr unterdrücken“, zitiert der "Spiegel" Tiffany Mwangi. Unter dem Motto „ohne Anführer, ohne Parteizugehörigkeit, ohne Angst“ zieht auch die 20-Jährige in den Kampf um eine bessere Zukunft.
Dutzende bezahlten dafür bereits mit dem Leben. Entzündet haben sich die Proteste an einer geplanten Erhöhung der Steuern, was auch zu teurerem Brot geführt hätte.
Und Träger der Bewegung ist eben die „Generation Z“, die zwischen 1995 und 2010 Geborenen. Diese jungen Menschen sind in der Regel gut ausgebildet, haben aber wenige Job- sowie Zukunftsperspektiven – und vor allem genug von der systemimmanenten Korruption und Vetternwirtschaft. Sie steigen auf die Barrikaden.
Wie einst schon die Demonstranten während des Arabischen Frühlings 2011 organisieren sich auch diese Demonstranten in Nairobi und anderen Städten des ostafrikanischen Landes via Soziale Medien. Mit diesen wuchsen sie auf, mit diesen sind sie vertraut.
Tiffany Mwangi etwa verdiente ihr Geld bis vor Kurzem damit, dass sie auf TikTok Bewertungen für Produkte postete. Jetzt widmet sie sich vor allem der Politik und dem aktuellen Widerstand: „Normalerweise würde ich Netflix schauen und chillen“, sagt sie dem "Spiegel"-Reporter, „doch plötzlich bin ich hier auf der Straße.“
Feindbild Nummer eins ist der Staatspräsident: William „Ruto muss weg“, skandierten die Demonstranten in der Vorwoche, ein Teil stürmte das Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Nairobi. Die Polizei, die später Unterstützung vom Militär bekam, schoss scharf. Die Zahl der Toten blieb damals unklar.
In der Folge brannten Autos und Gebäude, Supermärkte und Geschäfte wurden geplündert. Kenianische Medien spekulieren darüber, ob sich ein Teil der Demonstranten radikalisiert habe, oder ob tatsächlich, wie Ruto sofort meinte, „organisierte Kriminelle“ die Verantwortung trügen.
Er selbst steht jedenfalls schwer unter Druck und musste das Steuerpaket zurückziehen. Doch das reicht den jungen Menschen nicht mehr. Sie sehen in dem 57-Jährigen, der seit 2022 an der Macht ist, bloß eine Marionette des Westens.
Mit dem Rücken zur Wand
Tatsächlich steht seine Regierung budget- und finanzpolitisch mit dem Rücken zur Wand. Wegen der hohen Staatsverschuldung (68 Prozent des BIPs) musste der Internationale Währungsfonds (IWF) mit Milliardenkrediten zu Hilfe eilen.
Im Gegenzug fordert der IWF weniger Staatsausgaben und höhere Einnahmen, sprich Steuern. Mit Blick auf Letzteres gaben die Kenianer ihrem Präsidenten, der sich einst als Mann der „kleinen Leute“ positioniert hatte, den Spitznamen „Zakayo“ – in Anspielung an den biblischen Steuereintreiber Zachäus.
Zugleich aber warnt Matthias Kamp, Ostafrika-Referent der Konrad-Adenauer-Stiftung: „Eskalierende Proteste und eine verschärfte Sicherheitslage schaden der Wirtschaft, schrecken Investoren ab und können sich auf den Tourismus auswirken.“ Immerhin sorgte dieser Sektor mit rund zwei Millionen Urlaubern im Vorjahr für Einnahmen von rund 2,5 Milliarden Euro.
Doch den jungen Menschen ist das Hemd näher als der Rock. Sie sorgen sich primär um ihre eigene Zukunft. Und erfreuen sich des Rückhalts auch aus den Reihen der Kunstschaffenden. Das Lied „Daima“ des Musikers Eric Wainaina etwa ist mittlerweile zu einer Art Hymne der Protestbewegung geworden.
Darin heißt es unter anderem: „Einheit ist unser Stolz...Lasst uns unser Land aufbauen... Ich engagiere mich immer für Kenia.“
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