Kein deutsches Asyl für Edward Snowden

Snowden beim Treffen mit Ströbele (re.) in Moskau
Berlin will ihn nur in Moskau befragen, um Krach mit den USA zu vermeiden. Die schicken hohe Goodwill-Gesandte nach Europa.

Nie seit 2003 war unser Verhältnis zu den USA so schlecht wie jetzt“, beklagt SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier den Schaden, den die von Edward Snowden öffentlich gemachten Lauschaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA verursachen. Er weiß, wovon er spricht: Steinmeier war zur Zeit der Irak-Kriegs als Kanzleramtsminister des SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder auch oberster Geheimdienstkoordinator und danach auch in Washington angesehener Außenminister.

Der Irak-Krieg und Schröders Weigerung im Wahlkampf 2002, den USA trotz der 3000 Terror-Toten vom September 2001 zu helfen, erzeugten eine tiefe Entfremdung der beider Länder. Dieser Widerspruch war angeblich auch Anlass für das Weiße Haus, die Regierung in Berlin abhören zu lassen.

Das reichte zuletzt bis zum Belauschen von Kanzlerin Angela Merkels Handy, angeblich auf Anordnung von Präsident Obama. Weil er sich in den Telefonaten mit ihr darüber offenbar widersprüchlich ausdrückte, ist trotz öffentlicher Dementis nun auch das persönliche Verhältnis der beiden Regierungschefs schwer belastet. Gemocht und vertraut hatten sie einander ohnehin nie.

Da beide aber Pragmatiker sind, versuchen sie nun, den Schaden zu begrenzen. „Das transatlantische Bündnis bleibt für uns Deutsche von überragender Bedeutung“, sagte Merkels Sprecher. In Washington kündigten einige Senatoren und Abgeordnete beider Parteien an, schon bald eine Goodwill-Tour nach Europa zu machen, um damit dessen Ärger über die US-Aktivitäten zu besänftigen.

Anti-US-Aktion

Besonders in Berlin versucht die Opposition viel Kapital aus der Affäre heraus zu holen. Die „Linke“ und die Grünen wollen Edward Snowden unbedingt Asyl in Deutschland verschaffen, was wegen des Auslieferungsbegehrens der USA maximalen Ärger mit Washington verspräche. Linken-Chef Bernd Riexinger kündigte dazu einen Antrag im Bundestag an, wo die drei Parteien nun eine absolute Mehrheit haben. Die SPD-Führung gab aber schon Signale, dass sie dabei nicht mitmachen würde: Es wäre das frühe Aus für die geplante Große Koalition mit Merkel.

Die amtierende Regierung bekräftigte, dass Asyl für Edward Snowden rechtlich ausgeschlossen sei, sie will ihn statt dessen von Abgeordneten in Moskau befragen lassen. Die Welt zitierte deutsche Geheimdienstler, die mutmaßen, der russische Geheimdienst habe den Besuch des Grünen-Politikers Hans-Christian Ströbele bei Edward Snowden in Moskau organisiert.

Seine Enthüllungen bewegen die Welt von Indonesien bis Brasilien, belasten das Verhältnis der USA zu Deutschland massiv – aber über Ed Snowden selbst, was für ein Typ er ist und wie es ihm in seinem russischen Exil geht, weiß die Welt wenig.

„Er wirkte erstaunlich entspannt, selbstbewusst und informiert – ein Mensch, dem man nicht anmerkt, dass er unter Verfolgung steht“, sagte Georg Mascolo der ARD-Tagesschau. Der ehemalige Spiegel-Chefredakteur war vergangene Woche einer der beiden Journalisten, die mit dem deutschen Grünen Hans-Christian Ströbele Snowden an einem geheim gehaltenen Ort in Moskau besuchen konnten. Der ehemalige NSA-Mann und Whistleblower, der noch vor gut einem halben Jahr mit seiner Freundin in einer Hütte auf Hawaii lebte und nach seinen Enthüllungen temporäres Asyl in Russland gewährt bekam, verfolge die Folgen seiner NSA-Enthüllungen akribisch: „Er weiß mehr darüber als die allermeisten Menschen“, so Mascolo. Und dass die Geheimdienstaktivitäten jetzt in den USA Thema seien, freue Snowden sehr, „das ist das, was er erreichen wollte“.

John Goetz, der zweite Journalist (NDR), erzählt in der Süddeutschen Zeitung von einem „schmächtigen Kerlchen“ mit zu großer Brille und Dreitagebart, dessen Sprache geprägt sei durch seine Jahre bei CIA und NSA: „Er benutzt unübliche Wendungen, seine Ausdrucksweise ist eine Mischung aus mathematischen Formeln und Geheimdienstjargon.“ Auf die Frage, was ihn am meisten schmerze, sagte Snowden: „Der Preis meiner Handlungen ist der Verlust von echten und regelmäßigen Kontakten zu meiner Familie und meinen Freunden.“

Das meiste aus dem dreistündigen Gespräch musste, wie vereinbart, vertraulich bleiben. Aber eines weiß man doch: Der Buddhist und angebliche Veganer Snowden, dem die geliebten heimatlichen Tortilla-Chips abgehen, aß bei dem Treffen ein Steak.

Für Aufregung sorgt ein neues NSA-Dokument, wonach Österreich zu einer Gruppe von 19 Ländern gehört, mit denen die US-Lauschzentrale eine ganz spezielle Zusammenarbeit pflegt.

Das Dokument wurde vom Journalisten Glenn Greenwald in der spanischen Zeitung El Mundo veröffentlicht. Darin unterteilt die NSA weltweit die Staaten in vier Kategorien. In der ersten Kategorie rangieren die engsten Verbündeten Australien, Kanada, Neuseeland und Großbritannien. In der zweiten Stufe („Focused Cooperation“) ist bereits Österreich aufgezählt – gemeinsam mit NATO-Staaten wie Deutschland, Italien, Türkei. Aber auch weitere Neutrale wie Schweden und die Schweiz fallen in diese Kategorie.

Kritiker in der Schweiz meinen, das würde bedeuten, dass der Geheimdienst NDB die USA bei der Bespitzelung von Bürgern unterstützt. Bundespräsident Ueli Maurer dementiert. Die Schweiz würde nur im Bereich Terrorismus mit US-Diensten kooperieren.

Ähnlich ist die Argumentation im Wiener Verteidigungsministerium. Der Auslandsnachrichtendienst HNA habe keinen Zugang zu Glasfaserknoten oder Servern. Die Kommunikationsinfrastruktur in Österreich sei privat und gehöre den Telekommunikationsanbietern. Eine Zusammenarbeit mit US-Diensten gebe es nur punktuell. Etwa, wenn es um Einsatzräume des Bundesheers oder im Ausland in Not geratene Österreicher gehe.

Das würde bedeuten, dass die Amerikaner Spitzelaktionen in Österreich aus eigener Kraft durchführen müssen. Eine dieser Aktionen ist vor etwa zehn Jahren aufgeflogen. Damals wurde ein hochrangiger US-Diplomat festgenommen, weil er sich illegal Zutritt zu einem Wählamt der Post verschafft hatte, wo er den Festnetzanschluss eines nordkoreanischen Diplomaten verwanzte. Der Täter musste aber wegen seines diplomatischen Status wieder freigelassen werden. Er wurde seither in Wien nie wieder gesehen.

Auch in den USA ist die Aufregung weiterhin groß. Fix ist: Der Zugriff auf Telefondaten soll erschwert werden, wie der KURIER berichtete. Führende US-Technologieunternehmen fordern laut Washington Post angesichts immer neuer Berichte über das Ausmaß der NSA-Überwachung, dem Geheimdienst straffere Zügel anzulegen. Wie das Blatt am Freitag online schrieb, hätten sich Facebook, Google, Apple, Yahoo, Microsoft und AOL in einem Brief an US-Senatoren gewandt.

Die Überwachungspraxis der Regierung müsse reformiert werden. Es solle mehr Schutz der Privatsphäre sowie eine angemessene Kontrolle und Mechanismen für die Überprüfung solcher Programme geben, heiße es darin. Die NSA hat laut Washington Post wohl massenhaft Daten von Google und Yahoo abgeschöpft.

"Derzeit keine elektronischen Überwachungsmaßnahmen"

Indes versucht Barack Obama die Wogen zu glätten: Der US-Präsident hat offenbar den Geheimdienst NSA angewiesen, die Hauptquartiere von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) nicht mehr auszuspähen. Die USA hätten derzeit keine elekronischen Überwachungsmaßnahmen in den Zentralen beider Organisationen in Washington laufen, sagte ein mit der Angelegenheit vertrauter ranghoher US-Regierungsvertreter am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Er machte ausdrücklich keine Angaben darüber, ob die Geheimdienste in der Vergangenheit Weltbank und IWF ausspioniert hätten. Mit einer ähnlichen Sprachregelung hatte die US-Regierung jüngst auf Vorwürfe reagiert, wonach auch das Mobiltelefon der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel ausspioniert worden sei.

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