Katalonien wählt: Letzter Anlauf zur Unabhängigkeit?
Schon die Ortswahl war symbolträchtig. Ende März gab Carles Puigdemont im südfranzösischen Elne seine Kandidatur für die Regionalwahlen in Katalonien bekannt. Damit rückte der ehemalige katalanische Ministerpräsident nicht nur geografisch näher an seine Heimat heran. Er wählte auch den Ort, an dem 2017 die Wahlurnen für das folgenschwere illegale Unabhängigkeitsreferendum versteckt worden waren.
Seitdem sind fast sieben Jahre vergangen. Die meiste Zeit davon verbrachte Puigdemont im fernen Brüssel. Um einer Verhaftung wegen seiner Rolle beim gescheiterten Abspaltungsversuch der autonomen Region zu entgehen, floh er 2017 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vor der spanischen Justiz. Nun, da ein umstrittenes Amnestiegesetz auf dem Weg ist, von dem der Ex-Präsident der Generalitat und Hunderte seiner Mitstreiter profitieren, will er zurückkehren. Sein Ziel bleibe es, im Amt "den Unabhängigkeitsprozess zum Erfolg zu führen". Doch Puigdemonts Heimat Katalonien ist nicht mehr dieselbe wie 2017.
Separatisten erzielen keine Mehrheit
Erstmals seit dem Erstarken der Unabhängigkeitsbewegung 2012 verfügt das separatistische Lager nicht mehr über eine sichere Mehrheit im katalanischen Parlament: Bei den vorgezogenen Regionalwahlen am kommenden Sonntag liegen die katalanischen Sozialisten (PSC) klar in Führung. Jüngsten Umfragen zufolge könnten sie auf bis zu 33 Prozent der Stimmen und 40 Mandate kommen.
Der separatistische Block würde laut Wahlprognosen auch mit Hilfe kleinerer Gruppierungen die notwendige Mehrheit von 68 der 135 Parlamentssitze knapp verfehlen. Puigdemonts bürgerlich-konservative Junts-Partei werden 36 Sitze vorausgesagt, die derzeit regierende linksseparatistische Esquerra Republicana (ERC) rutscht deutlich auf den dritten Platz ab (26 Sitze).
Unabhängigkeit nicht mehr Priorität
Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Unabhängigkeit von Spanien gehört nicht mehr zu den Prioritäten der katalanischen Bevölkerung. Nach jüngsten Umfragen des katalanischen Meinungsforschungsinstituts CEO ist die Zahl der Unabhängigkeitsbefürworter mit 42 Prozent auf einen historischen Tiefstand gesunken. 51 Prozent sprechen sich sogar klar gegen eine Abspaltung von Madrid aus.
Vor allem die jungen Wählerinnen und Wähler haben sich vom Separatismus abgewandt, der in den letzten Jahren viel Chaos, aber kaum Fortschritte gebracht hat. Unter der politischen Instabilität und der Abwanderung von Unternehmen nach dem Referendum leidet die Mittelmeerregion bis heute.
Viele alltägliche Probleme wie Maßnahmen gegen die anhaltende Dürre oder wirtschaftliche Fragen blieben auf der Strecke. Inflation, Arbeitslosigkeit, Wohnungsmarkt und Infrastruktur in der Acht-Millionen-Region treiben die Menschen um - alles Themen, für die sich die katalanischen Sozialisten unter Salvador Illa stark machen.
Auswirkungen auf landesweite Politik
Trotz des Wahlsieges könnte es für ihn jedoch schwierig werden, eine Regierungsmehrheit zu bilden. Zwar schließt der sozialistische Spitzenkandidat eine Zusammenarbeit nur mit der extremen Rechten aus. Sowohl Junts als auch ERC stehen einer Zusammenarbeit jedoch kritisch gegenüber. Gleichzeitig werfen beide Separatistenparteien der Gegenseite vor, sich bei der ersten Gelegenheit den Sozialisten in die Arme zu werfen.
Damit soll wohl auch von den Querelen zwischen den beiden Formationen abgelenkt werden, die im Vorjahr im Austritt der Junts-Partei aus der Regierungskoalition mit der ERC gipfelten. Selbst wenn es dem separatistischen Lager gelingen sollte, seine Wähler auf den letzten Metern zu mobilisieren und am Sonntag eine knappe Mehrheit zu erringen, dürfte es auch für sie schwierig werden, eine Regierung zu bilden. Entsprechend groß ist die Angst vor einer Blockade und einer möglichen Wahlwiederholung.
Verhaftung riskieren?
Im übrigen Spanien werden die Regionalwahlen mit Argusaugen beobachtet. Denn der Wahlausgang in Katalonien könnte direkte Auswirkungen auf die Zentralregierung in Madrid haben: Die linke Minderheitsregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez, der zuletzt versöhnlich die Hand nach Katalonien ausgestreckt hatte, ist maßgeblich auf die Unterstützung der katalanischen Separatisten angewiesen. Sollten diese Sánchez fallen lassen, könnte es zu landesweiten Neuwahlen kommen.
Ob Puigdemont nach den Wahlen überhaupt nach Katalonien zurückkommt, ist indes unklar. Das umstrittene Amnestiegesetz wird vermutlich erst nach den Regionalwahlen endgültig verabschiedet. Der Separatistenführer wird wohl noch eine Weile in Südfrankreich ausharren müssen, wenn er nicht riskieren will, beim Grenzübertritt verhaftet zu werden.
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