Katalonien vor Neuwahlen gespalten: 42 Prozent lehnen Amnestiegesetz ab

Katalonien vor Neuwahlen gespalten: 42 Prozent lehnen Amnestiegesetz ab
72 Prozent der Katalanen finden, die Unabhängigkeit von Spanien sollte nicht die Priorität der aus den bevorstehenden Wahlen hervorgehenden Regionalregierung sein.

Das umstrittene Amnestiegesetz, mit dem sich Spaniens linke Minderheitsregierung die notwendige Unterstützung der katalanischen Separatisten von Junts im Parlament sichert, spaltet nicht nur Spanien. Auch die katalanische Gesellschaft betrachtet das politische Manöver wenige Monate vor den regionalen Neuwahlen am 12. Mai höchst unterschiedlich.

Laut einer Umfrage der größten katalanischen Tageszeitung La Vanguardia vom Montag begrüßen rund 54 Prozent der Katalanen die bereits beschlossene Amnestie ehemaliger Separatistenführer und Organisatoren des illegalen Unabhängigkeitsreferendums von 2017. Doch 42 Prozent lehnen den polemischen Deal, mit dem sich Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sánchez (PSOE) eine Regierungsstabilität sichert, klar ab.

Frieden zwischen Separatisten und Nicht-Separatisten verbessern?

So glaubt auch nur knapp die Hälfte der rund acht Millionen Einwohner der nach Unabhängigkeit strebenden spanischen Mittelmeerregion, die Amnestie-Maßnahme werde den sozialen Frieden zwischen Separatisten und Nicht-Separatisten in Katalonien verbessern.

Doch bei einem Aspekt scheint es eine größere Einigkeit unter den Katalanen zu geben: Laut der Umfrage sind 72 Prozent der Einwohner der Meinung, die Unabhängigkeit und Loslösung von Spanien sollte nicht die politische Priorität der aus den Wahlen vom 12. Mai hervorgehenden Regionalregierung sein. Vor allem die katastrophalen Folgen der anhaltenden Dürre sowie die wirtschaftlichen Probleme und die hohe Inflation der Region sollten im Mittelpunkt der Politik stehen, sind sich die meisten Katalanen einig.

Unterdessen sagen die ersten Wahlumfragen erneut deutlichen Sieg der Sozialisten in Katalonien voraus. Ein Sieg in Katalonien wäre für Premier Sánchez kurz vor den Europawahlen im Juni und nach dem schlechten Abschneiden bei den jüngsten Regionalwahlen in Galicien ein wichtiges Signal sowie eine Bestätigung seiner stark kritisierten Amnestie-Politik.

Chancen der Sozialisten stehen gut

Die Chancen der Sozialisten stehen gut. Bereits 2021 gewann Spaniens ehemaliger Gesundheitsminister Salvador Illa souverän in seiner Heimatregion für den katalanischen Ableger der Sozialisten PSC die Regionalwahlen und auch bei den Kommunalwahlen im vergangenen Mai setzte er sich als stärkste Partei durch.

Doch übernahmen die linksrepublikanischen Separatisten der ERC die Macht, die mit den Stimmen der bürgerlichen Separatisten von Carles Pugidemonts Junts 2021 eine Minderheitsregierung bilden konnten. Die Lager scheinen sich nicht sonderlich verschoben zu haben. Laut der neusten Umfragen dürften die Sozialisten mit 41 Sitzen erneut die stärkste Fraktion im Regionalparlament in Barcelona werden. Doch die Linksrepublikaner von Kataloniens amtierenden Ministerpräsidenten Pere Aragonès könnten auch auf 26 Sitze kommen und Junts auf 32 Mandate. Damit besteht durchaus wieder eine knappe, aber mögliche Regierungsmehrheit für das Separatistenlager.

Finden ERC und Junts zueinander?

Ob sich die beiden ideologisch sehr unterschiedlichen Parteien, die sich im Separatistenlager zudem stets im Konkurrenzkampf befinden, tatsächlich einigen können, bleibe zudem abzuwarten, meint der katalanische Politologe Oriol Bartomeus im Gespräch mit der APA. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode kam es nicht zu einer Koalition, sondern nur zur Duldung einer schwachen ERC-Minderheitsregierung durch die konservativen Junts-Separatisten.

Auch wenn Pere Aragonès nun Neuwahlen für den 12. Mai ausrief, da ausgerechnet die Linkspartei En Comú nicht seinen neuen Haushalt mittragen wollte, nimmt der ideologische Lagerkampf mit Junts seit Jahren zu. Und jetzt noch mehr: Mit Aussicht auf eine mögliche Amnestie kündigte nun Kataloniens ehemaliger Ministerpräsident Carles Puigdemont seine Kandidatur für Junts an. Er gilt als Symbol des Unabhängigkeitskampfes und bedroht den bisherigen Machtanspruch der regierenden Linksrepublikaner.

Nach dem illegalen Unabhängigkeitsreferendum 2017 floh der ehemalige Regierungschef Kataloniens nach Belgien ins Exil, von wo aus er seine Partei seitdem weiter leitet und als Abgeordneter im EU-Parlament sitzt. Bei einer Einreise in Spanien droht Puigdemont die sofortige Festnahme, da die spanische Justiz gegen ihn weiterhin und bis zum Inkrafttreten der Amnestie-Gesetze wegen Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Gelder fahndet.

Sollte er jedoch die Wahlen Mitte Mai gewinnen, werde er trotz des Haftbefehls nach Spanien zurückkehren, kündigte Puigdemont vergangene Woche in Elne an, einer französischen Stadt etwa 30 Kilometer von der spanischen Grenze entfernt. Sein Ziel sei weiter die Unabhängigkeit der Region von Spanien. Er werde die Regierung in Madrid um ein Referendum bitten. Puigdemont schloss dabei ein einseitiges Vorgehen nicht aus, sollten die Verhandlungen nicht erfolgreich sein. Unterdessen suchen die regierende ERC-Separatisten eher den politischen Dialog mit Madrid.

Kommentare