Marodes Gesundheitssystem besorgt Wähler
Eine Debatte über eine mögliche Loslösung der autonomen Region vom Rest Spaniens wäre damit vorprogrammiert. Obwohl Bildu letztlich die Unabhängigkeit anstrebt, ist das Thema im Wahlkampf jedoch nicht tonangebend - zu gering ist der Rückhalt in der Bevölkerung. Nur noch ein Fünftel der Basken befürwortet die Unabhängigkeit, nicht zuletzt mit Blick auf Katalonien, wo 2017 El Procés Català gescheitert ist.
Für die überwiegend junge Wählerschaft von Bildu sind viel mehr sozioökonomische Themen wahlentscheidend, allem voran das marode öffentliche Gesundheitssystem - einst Stolz der Basken und Prestigeprojekt der PNV -, die Arbeitslosigkeit und die hohen Immobilienpreise. Das traditionell wirtschaftsstarke Baskenland hat zwar höhere Durchschnittslöhne als der Rest Spaniens. Junge Arbeitnehmer verdienen im Schnitt aber nicht mehr als in anderen autonomen Regionen. Selbst wenn man 100 Prozent des durchschnittlichen Monatseinkommens eines jungen Menschen ausgeben würde, könnte er sich allein keine Wohnung in Euskadi leisten.
Viele Stimmen werden zudem von der zersplitterten Linkspartei Podemos abgezogen - einst eine starke Kraft in der Region an der Atlantikküste -, der heute kaum Chancen auf den Einzug ins Regionalparlament eingeräumt werden.
Verbindung zu ETA
Dazu kommt, dass das Parteienbündnis Bildu - und seine Kernpartei Sortu, die Erben der Batasuna - von den unter 45-Jährigen kaum noch mit den gewalttätigen Aktionen der ETA in Verbindung gebracht wird (siehe Infobox). Terrorismus und Gewalt liegen für sie weit zurück. Vielmehr wird die Partei von vielen Jungen als Teil des Dialogprozesses zur Beendigung des Terrorismus gesehen.
Kritiker entgegnen, Bildu habe die Nähe zur ETA nicht ausreichend aufgearbeitet und den Terror nicht entsprechend verurteilt. Für Aufsehen sorgte in dieser Woche etwa der Kandidat für das Amt des baskischen Ministerpräsidenten, Pello Otxandiano. Die Frage, ob er die ETA als Terrororganisation bezeichne, bezeichnete er als "nicht fundamental". Es gebe unterschiedliche Auffassungen. Die ETA existiere nicht mehr, jetzt müsse man eine Zukunft aufbauen.
ETA-Terroristen im Wahlkampf
Im übrigen Spanien ist man entrüstet über den voraussichtlichen Wahlsieg einer Partei, die zwar Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele verurteilt, nicht aber die ETA. Und auch darüber, dass ehemalige Terroristen in den Reihen von Bildu eine Heimat gefunden haben. So saß der Generalsekretär der Partei, Arnaldo Otegi, wegen ETA-Machenschaften 14 Jahre im Gefängnis. Bei den Kommunalwahlen 2023 standen 44 ehemalige ETA-Terroristen auf den Wahllisten. Erst nach heftiger Kritik zogen sieben wegen Mordes verurteilte Mitglieder ihre Kandidatur zurück.
Vielen Spaniern ist zudem ein Dorn im Auge, dass sich der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez (PSOE) nach den Parlamentswahlen im Vorjahr auf Bildu stützte, um in Madrid seine Minderheitsregierung durchzusetzen. Nun wird diskutiert, ob es diesmal umgekehrt sein könnte - und die baskischen Sozialisten, die laut Wahlprognosen am Sonntag zehn Mandate erringen werden, Bildu eine Regierungsmehrheit verschaffen könnten.
Zuverlässiger, unerwünschter Partner
Premier Sánchez hat bereits eine Absage erteilt: Man plane im Baskenland keine Koalition mit EH Bildu und distanziere sich von Otxandianos Äußerungen. Damit befinden sich die Sozialisten in einer Zwickmühle: In Madrid gilt Bildu als notwendiger und verlässlicher, in Euskadi als unerwünschter Partner.
Aus dem konservativen Lager folgte prompt die Kritik: "Wenn Sánchez einen Pakt mit den Anhängern von Otegi schließen muss, dann wird er das tun", heißt es aus der Volkspartei (PP). Der Spitzenkandidat der baskischen Sozialisten warnt seinerseits vor einem Zusammenschluss der beiden nationalistischen Parteien: "Es wird der Moment kommen, in dem sich EH Bildu und PNV auf das Ziel einigen, das sie eint: die Unabhängigkeit."
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