Unprofessionalität und skurrile Fehlbesetzungen

Unprofessionalität und skurrile Fehlbesetzungen
Experte Karl Wacher über milliardenteuren Wildwuchs bei den Agenturen der EU.
Unprofessionalität und skurrile Fehlbesetzungen
Der Niederösterreicher Karl Wachter hat den milliardenteuren Wildwuchs bei den Agenturen der EU selbst erlebt. Von 2003 bis 2006 war der Experte für Wasserbau und Gewässerschutz in der Forschungsstelle der EU-Kommission in Ispra (Italien) tätig. Die Aufgabe war präzise formuliert: Nach dem Jahrhunderthochwasser im Jahr 2002 an Donau und Elbe wollte die EU-Kommission ein einheitliches europäisches Hochwasser-Vorwarnsystem einführen. „Die Idee war gut“, sagt Wachter im Gespräch mit dem KURIER. „Ich war aber erstaunt, wie wenig länderübergreifend die EU-Staaten bei Überflutungen vorgehen. Wasser hält sich ja nicht an Ländergrenzen.“
Unprofessionalität und skurrile Fehlbesetzungen
APA3959484-2 - 18042011 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - EU - Abgeordnete Martin Ehrenhauser während der Pressekonferenz anl. "Austritt aus Liste Hans-Peter Martin", am Montag 18 April 2011, in Wien. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER
Noch mehr erstaunt war er über die „unprofessionelle Durchführung des Projekts. Keiner der damit befassten EU-Bediensteten hatte ein wasserfachliches Studium. Auch nicht der Projektleiter, ein niederländischer Geograf“.

Skurrile Fehlbesetzungen gibt es in der EU-Forschungsstelle, die als Generaldirektion mit rund 2500 Mitarbeitern firmiert, laufend. „Ein Abwasserchemiker war für die Hochseefischerei zuständig“, erinnert sich Wachter. Störend findet er die Mehrgleisigkeiten in der Arbeit der EU-Agenturen. „Die Agentur für Umweltschutz in Kopenhagen begann sich parallel zur EU-Forschungsstelle mit einem Hochwasser-Projekt zu befassen und verschickte unter anderem Fragebögen von geringer fachlicher Qualität.“

Karl Wachter zieht ernüchternd Bilanz: „Es gibt bis heute keine einheitlichen Richtlinien für den Hochwasserschutz, bestenfalls Empfehlungen an die Mitgliedsländer. “

Dass die Arbeit der 42 EU-Agenturen mit 6300 Mitarbeitern, die den europäischen Steuerzahler zuletzt 1,8 Milliarden Euro (EU-Budgetplan 2012) gekostet haben, heftig kritisiert werden, scheint plausibel zu sein. Großbritannien, Estland und andere EU-Mitglieder sowie das Europäische Parlament wollen den Agenturen-Wildwuchs eindämmen.

Nicht nur Grün-Abgeordneter Daniel Cohn-Bendit ist für Einsparungen bei den Agenturen, der parteiunabhängige österreichische Europa-Parlamentarier Martin Ehrenhauser prüfte zuletzt auch kritisch die Ausgaben für die Büros von EU-Kommission und Parlament in den 27 Mitgliedsländern. Diese Vertretungen, deren Arbeit kaum evaluiert wird, verschlingen hohe Summen. 41,2 Millionen Euro kosteten die Kommissionsbüros 2012. EU-weit beschäftigen sie 576 Personen. Ähnlich hoch sind die Ausgaben für die Büros des Europäischen Parlaments.

Dazu Ehrenhauser: „Ein gemeinsames EU-Informationsbüro in jedem Land wäre vertretbar. Dass einzelne Institutionen jeweils Außenstellen führen, ist sinnlos und schafft unnötige Doppelstrukturen.“

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