"Kanzler muss Klartext reden und die FPÖ an die Kandare nehmen"

Ulrike Lunacek, ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments
Die ehemalige Vizepräsidentin des EU-Parlaments kritisiert die Strache-Aussagen zum Kosovo – und die Außenpolitik der Regierung.

Die Aussage von Vizekanzler Heinz-Christian Strache in einem Interview mit der serbischen Tageszeitung Politika, wonach "der Kosovo zweifellos ein Teil Serbiens ist", sorgt weiterhin für Kritik und Empörung.

Auch bei Ulrike Lunacek, der langjährigen Kosovo-Berichterstatterin (2009-2017) und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. "Mit dieser Aussage hat Strache außen- und europapolitischen Schaden für Österreich angerichtet. Die Position der FPÖ zu Serbien und zum Kosovo geht ja Hand in Hand mit der nationalistischen Position Russlands", sagt Lunacek zum KURIER. "Was Strache macht, ist brandgefährliches Zündeln am Balkan. Das gefährdet die Erweiterung."

Die international anerkannte Balkan-Expertin, die heute, Mittwochabend, ihr Kosovo-Buch in Wien präsentiert (siehe Kasten unten), weist darauf hin, dass "Strache völlig vergisst, dass er mit seinen Aussagen auch die österreichischen Soldaten in Bosnien und im Kosovo schwächt und gefährdet".

Schweigekanzler

Unverständlich ist Lunacek das Schweigen von Bundeskanzler Sebastian Kurz zu den außenpolitischen Fehltritten seines Vizes. "Der Kanzler muss jetzt Klartext reden." Es gehe ja nicht nur um Strache, sondern auch um FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, der zu Jahresbeginn ins bosnische Banja Luka reiste, um an den umstrittenen Feierlichkeiten zum verfassungswidrigen "Nationalfeiertag" der Republika Srpska teilzunehmen. "Das sind alles Zeichen, die die österreichische Außenpolitik desavouieren. Der Kanzler muss Klartext reden und die FPÖ außen- und europapolitisch an die Kandare nehmen." Für Lunacek ist Kurz einfach nur der "Schweige-Kanzler".

Der Zickzack-Kurs in der Koalition kurz vor Übernahme der EU-Präsidentschaft ist für die ehemalige Europa-Parlamentarierin Anlass zur Sorge. "Es ist zu wenig, nur von Subsidiarität und weniger Geld für die EU zu reden, wie es der Kanzler macht. Das entspricht antieuropäischen rechtsaußen Parteien und nicht einer pro-europäischen ÖVP."

Dabei wäre es notwendig, über Zukunftsthemen zu reden. Wo sind die türkis-blauen Vorschläge für eine moderne EU-Steuer-, Umwelt- und Klimapolitik. "Dazu hört man gar nichts", beklagt Lunacek. "Österreichs Ansehen in der EU nimmt von Tag zu Tag ab."

Die Spitzenkandidatin der Grünen bei der Nationalratswahl bekleidet derzeit keine Funktionen mehr. Sie ist freiberuflich als Vortragende, Autorin und Außenpolitik-Expertin tätig. "Ich bin und bleibe aber ein politischer Mensch und werde mich in der Zivilgesellschaft, zum Beispiel für das Frauenvolksbegehren, engagieren.

Vom "Neustart-Prozess" der Grünen, der am Samstag beginnt, erwartet sich die langjährige Politikerin "viel Positives, um die Bundespartei wieder aufzubauen".

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