Kanzler Kurz zu Abschiedsbesuch bei "Mutti" Merkel in Berlin
Es ist wohl der letzte Besuch des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) bei Deutschlands scheidender Regierungschefin Angela "Mutti" Merkel in Berlin. Die CDU-Politikerin will nach der Bundestagswahl Ende September nach 16 Jahren ihr Amt aufgeben. Im Mittelpunkt dieses Abschiedstreffens am Dienstag stand die aktuelle Lage in Afghanistan, samt der Frage der möglichen Migration nach dem Sieg der Taliban und dem Abzug der US-Soldaten.
Angesichts einer drohenden Fluchtbewegung aus Afghanistan setzen Deutschland und Österreich auf humanitäre Hilfe, um die Menschen im Land oder in den Nachbarländern zu unterstützen. „Unsere Position ist, möglichst vielen Menschen in der Nähe ihrer Heimat, wenn sie das Land verlassen, eine Möglichkeit zu geben, dort humanitär versorgt zu werden“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag in Berlin bei einem Treffen mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
Kurz nimmt in Berlin Abschied von Merkel
"Humanitäre Hilfe"
Dieser betonte: „Wir haben die humanitäre Hilfe für Afghanistan und die Region in einer Art und Weise aufgestockt, wie wir dies bisher noch nie gemacht haben.“ Auf die Frage nach der Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingskontingenten bekräftigte Kurz seine ablehnende Position. Seine Haltung sei bekannt und habe sich auch nicht geändert. Österreich habe hier schon sehr viel geleistet und überproportional viele Menschen aufgenommen. „Wir haben pro Kopf gerechnet die viertgrößte afghanische Community weltweit.“
Merkel betonte, die Bundesregierung fühle sich zunächst Ortskräften und ihren Angehörigen verpflichtet. Es handele sich dabei um eine Größenordnung von 10.000 bis 40.000 Menschen. Zunächst müsse man sehen, wie viele von ihnen Afghanistan wirklich verlassen wollen. Ansonsten gehe es um humanitäre Hilfe. „Niemand verlässt leichtfertig seine Heimat. Und deshalb ist alles gut und wichtig, was wir in der Region tun können.“ Über die Aufnahme von Kontingenten könne man überhaupt erst diskutieren, wenn klar sei, was es an Fluchtbewegung außerhalb Afghanistans gebe.
Evakuierungen auf Landweg
Die deutsche Bundeswehr hatte seit Mitte August den österreichischen Behörden bei der Evakuierung von österreichischen Staatsbürgern und Personen mit Aufenthaltsrecht in Österreich aus Kabul geholfen. Kurz wird am Nachmittag auch die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) treffen, wo ebenfalls vor allem dieses Thema erörtert wird. Im Rahmen der mitgliedsstaatlichen Kooperation innerhalb der EU arbeite man nach Abzug der ausländischen Truppen bei Evakuierungen auf dem Landweg weiterhin zusammen, sagte ein Sprecher des Kanzlers auf Anfrage der APA.
Kürz würdigt Merkel
Kurz hat darüberhinaus den Einsatz von Merkel für Europa gewürdigt. Besonders geschätzt habe er den „unglaublichen Erfahrungsschatz, den Angela Merkel in all die Diskussionen und Debatten eingebracht hat“, sagte Kurz am Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel in Berlin. Der Europäische Rat verliere mit Merkel „eine Regierungschefin, die die Europäische Union so gestaltet und geprägt hat wie keine andere“.
Kurz dankte der Kanzlerin „für die enormen Leistungen, die hier für die Europäische Union weit über Deutschland hinaus erbracht worden sind“. Auch bilateral wolle er sich für die gute Zusammenarbeit bedanken. In sehr vielen Fragen habe man an einem Strang gezogen, sagte Kurz.
Festspiel-Abo auf Lebenszeit
Als Abschiedsgeschenk am Ende ihrer politischen Karriere als Kanzlerin bringt Kurz der musikbegeisterten Merkel eine Einladung für die Salzburger Festspiele auf Lebenszeit mit, sagte ein Sprecher gegenüber der APA. Außerdem erhält sie eine CD-Box, die zum 100. Jubiläum des Festivals 2020 erschienen ist.
Auch der Kontakt zur deutschen Wirtschaft ist ein wichtiges Thema des Berlin-Besuches - Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer ist ebenfalls mit an Bord. Es gibt ein Treffen mit Carsten Spohr, Chef der deutschen Fluglinie und AUA-Mutter Lufthansa, sowie eine Begegnung mit weiteren Wirtschaftsvertretern.
Kurz erhält zudem die „Gedenkmünze Ludwig Erhard in Gold“ vdrlidehen. Damit zeichnet der CDU-Wirtschaftsrat, ein Interessensverband der unternehmerischen Wirtschaft, Personen aus, die sich um die Soziale Marktwirtschaft verdient gemacht haben. Die Auszeichnung ist nach dem langjährigen westdeutschen Wirtschaftsminister, Kanzler und CDU-Politiker Ludwig Erhard (1897-1977) benannt, der als „Vater des deutschen Wirtschaftswunders“ und der Sozialen Marktwirtschaft gilt. 2005 hatte der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) die Gedenkmünze erhalten, die an hohe Politiker und Wirtschaftsvertreter verliehen wird.
Der Bundeskanzler war zuletzt im Juni in Berlin gewesen. Er reiste damals auf Einladung des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) in die deutsche Hauptstadt, um beim Tag der Industrie zu sprechen. Darüber hinaus besuchte der Bundeskanzler die Charité-Klinik und traf dort den bekannten Virologen Christian Drosten. Außerdem sprach er mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU). Merkel traf er damals in der deutschen Hauptstadt nicht persönlich, beriet aber vor seiner Abreise per Videokonferenz mit ihr über die Themen des zu jener Zeit bevorstehenden EU-Gipfels.
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