Was genau ist passiert?
Die USA sagen, zwei russische Jets hätten aus der Luft Kerosin auf eine MQ-9-Reaper-Drohne abgelassen – vermutlich, um ihre Kameras an der Sicht zu behindern. Danach hätten sie die Drohne bedrängt und touchiert. Das US-Außenministerium hat den russischen Botschafter einbestellt, die US-Botschafterin in Moskau bei Putin Protest eingelegt. Der Kreml wiederum sagt, die russischen Jets hätten nichts getan – im Gegenteil: Es sei eine Provokation, dass sich eine US-Drohne auf die russische Grenze zubewegt habe.
Darf sich eine US-Drohne dort aufhalten?
Ja, denn sie hat sich im internationalen Luftraum bewegt. Die Air Force spricht von einer „Routineoperation“, wie man sie auch schon vor Kriegsbeginn geflogen sei; an den NATO-Ostgrenzen sind rund um die Uhr 30 Jets zu Aufklärungszwecken unterwegs. Ausgangspunkt der Drohne war eine US-Basis in Rumänien, das als Anrainerstaat des Schwarzen Meeres – ebenso wie die Türkei – NATO-Mitglied ist.
Da das Schwarze Meer, anders als oft von Moskau dargestellt, kein russisches Hoheitsgebiet ist, können US-Drohnen dort auch auf rechtlicher Basis agieren. Kriegsschiffe dürfen das Meer nicht mehr passieren, seit die Türkei den Bosporus wegen des Krieges geschlossen hat.
Ist das der erste Vorfall dieser Art?
Einen Zwischenfall dieser Größenordnung gab es bisher nicht. Die NATO hat zwar allein im Vorjahr 570 Zwischenfälle mit russischen Jets registriert, einige davon auch bewusste Provokationen wie Luftraumverletzungen; zehn davon problematische Annäherungen. So gefährlich nahe wie jetzt, mit dem provozierten Absturz, kamen sich die Großmächte aber noch nie.
War das ein absichtlicher Angriff?
Das US-Außenministerium geht davon aus, dass der Vorfall nicht von Russland beabsichtigt war. Andere Töne schlug US-Verteidigungsminister Lloyd Austin an: Er warf Russland aggressives Verhalten vor. „Der gefährliche Vorfall ist Teil eines Musters aggressiven, riskanten und unsicheren Handelns russischer Piloten in internationalem Luftraum“, sagte er.
Raum für Missverständnisse gibt es, weil die Kommunikationskanäle, über die Russland, die USA und die NATO im Fall einer Kollision normalerweise miteinander sprechen, derzeit massiv gestört sind. Dennoch telefonierten Austin und sein russischer Amtskollege Sergej Schoigu am Mittwochabend miteinander.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte am Mittwoch bezeichnenderweise, dass es seit dem Absturz der Drohne keinerlei Austausch zwischen russischen und US-Verantwortlichen auf höchster Ebene gegeben habe.
Droht eine Eskalation?
Nein, nicht unmittelbar. Beide Seiten haben verbal recht rasch abgerüstet. Moskau will auf keinen Fall in einen Krieg mit den USA verwickelt werden, und die USA haben bisher alles daran gesetzt, um nicht direkt in den Krieg in der Ukraine involviert zu werden. Analysten gehen davon aus, dass die Russen mit dem Manöver eines erreichen wollten: Dass die USA ihre Aufklärer künftig zögerlicher einsetzen – und es so weniger Aufklärungsmaterial und Unterstützung für die Ukraine gibt.
Was kann so eine Drohne überhaupt?
Die Überwachungsdrohne MQ-9-Reaper gehört zu den modernsten, die von der US-Luftwaffe eingesetzt werden. Sie hat eine Spannweite von 21 Metern, erreicht bis zu 440 Stundenkilometer und kann in mehr als 15 Kilometern Höhe bis zu 34 Stunden am Stück fliegen. Seit 2018 ist sie in Afghanistan, Syrien, dem Irak und in internationalen Gewässern im Einsatz, vor allem im Indopazifik. Ein Exemplar kostet etwa 30 Millionen Euro.
Zwar wurden von „Reaper“-Drohnen im Nahen Osten bereits Sprengköpfe abgeworfen, meist fliegen sie aber nur zu Überwachungszecken: Vom internationalen Luftraum über dem Schwarzen Meer aus können sie die gesamte Krim überwachen. Das gesammelte Material und die Technik ist deshalb bei den Russen begehrt.
Was passiert jetzt mit dem Wrack der Drohne?
Laut Kirby wurde sie bisher nicht geborgen und das dürfte wohl auch so bleiben: "Ich bin mir nicht sicher, ob wir in der Lage sein werden, sie wiederzuerlangen." Dort, wo die Drohne ins Schwarze Meer fiel, sei das Wasser "sehr, sehr tief". Der tiefste Punkt der Meeresregion liegt in mehr als zwei Kilometern Tiefe. "Wir erörtern gerade noch, ob eine Bergung überhaupt möglich sein wird, aber es sieht nicht danach aus", so Kirby.
Der wahre Grund dafür könnte jedoch daran liegen, dass sich die Drohne nicht mehr im Wasser befindet: Laut abgefangenen Funksprüchen soll Russland sie bereits geborgen haben. US-Kriegsschiffe, die zur Bergung wohl notwendig wären, können ohnehin nicht ins Schwarze Meer einfahren, da die Türkei den Bosporus geschlossen hat. Aber, so Kirby: "Wir haben alles versucht, um den Wert an Informationen zu minimieren, den jemand anderes gewinnen könnte, wenn er die Drohne bergen würde."
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