Goldenmeyer, inzwischen in der Nähe von Dallas in Texas gelandet, ist kein Einzelfall: Für den einen sind es die in immer dichterer Reihenfolge hereinbrechenden Naturkatastrophen – von Feuer bis Dauerdürre, die Stromnetze zusammenbrechen und Kommunen die Wasserversorgung rationieren lassen. Für den anderen geben die obszön hohen Mieten – drei Millionen Dollar für ein mittelprächtiges Einfamilienhaus im Silicon Valley sind keine Seltenheit – und empfindliche Steuern den Ausschlag.
Manchmal sind es aber auch die im Vergleich zum Rest des Landes exorbitanten Lebenshaltungskosten, die bis hin zur Zapfsäule (umgerechnet bis zu 1,65 Euro pro Liter) Schockgefühle auslösen. Immer öfter kehren Bewohner dem „Golden State“ darum den Rücken und folgen der Devise „Go East“.
2020 büßte der mit rund 39 Millionen Menschen bevölkerungsreichste US-Bundesstaat insgesamt mehr als 180.000 Einwohner ein. Über das vergangene Jahrzehnt summiert sich der Aderlass auf fast sechs Millionen. Zwar konnten das bisher vor allem geburtenstarke Einwanderer teilweise kompensieren. Das ist jetzt aber vorbei.
Zwischen Juli 2020 und Juli 2021 sank die Einwohnerzahl nach Angaben der Regierung in Sacramento um weitere 173.000. Symbole für den schleichenden Niedergang sind ausgerechnet die, die mit ihren überdurchschnittlichen Gehältern indirekt zur Misere beigetragen haben. Hightech-Riesen wie Oracle und Hewlett-Packard flüchten mit Sack und Pack in das entschieden billigere und deutlich weniger durchregulierte Texas. Auch Elon Musk, mit seinem E-Mobil-Unternehmen Tesla zuletzt der Inbegriff für Innovation „made in California“, ist mit seiner Zentrale nach Austin umgezogen.
Wer sich zwischen San Francisco und Los Angeles umhört, bekommt häufig das Wort „reformunfähig“ in Verbindung mit der „demokratischen Partei“ zu hören, die seit fast einem halben Jahrhundert im Parlament in Sacramento das Sagen hat.
Das Obdachlosen-Problem gilt dabei als symptomatisch. Nach den Statistiken leben in Kalifornien rund 200.000 Menschen auf der Straße. Mehr als in Florida, New York und Texas zusammen, obwohl die es gemeinsam auf mehr als 70 Millionen Einwohner bringen.
In Los Angeles (Skid Row, Venice Beach etc.) wie in San Francisco (direkt hinter dem Rathaus) doktert die Kommunalpolitik seit Jahrzehnten an dem Problem herum, das in Verbindung mit Krankheiten, Drogenmissbrauch und Kriminalität eine für viele Wähler immer weniger hinnehmbare Gemengelage ergibt.
Die andere Seite der Medaille: Wer in der Bay Area südlich von San Francisco, wo die futuristischen Zentralen von Google, Facebook & Co. stehen, eine einfache Zwei-Zimmer-Wohnung mieten will, muss schon ein Gehalt von mehr als 6.000 Dollar pro Monat vorweisen können – netto. So hat es eine Verbraucherschutz-Organisation für Geringverdiener im vergangenen Jahr ausgerechnet.
Die Konsequenz: Inhaber gewöhnlicher Jobs in der Service-Industrie oder im Handwerk müssen oft zwei, drei Stunden entfernt an die Peripherie ziehen. Was das morgendliche und abendliche Verkehrschaos auf den Freeways des Ballungsraums rund um San Francisco erklärt.
Jim Goldenmeyer hat hier viele Jahre gearbeitet. „Heute könnte ich mir das nicht mehr leisten“, sagt er. Darum schon früh nach der Pensionierung der Umzug nach Lake Tahoe. „Gesunde Luft, herrliche Natur, wenig Kriminalität – bis dieses verdammte Feuer kam und alles zerstört hat. Ich habe genug von Kalifornien.“
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