Johnsons Souffleuse: Die Frau hinter dem "weichen" Premier
Als Boris Johnson im Juli 2019 Theresa May als britischer Premier nachfolgte, zeigten ihn die Medien allein in den Amtssitz 10 Downing Street eintreten. Nach seinem fulminanten Wahlsieg im Dezember tat er das zusammen mit Partnerin Carrie Symonds.
Seither ist seine 32-jährige Verlobte, die an der Universität Warwick Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte studierte, zu einer wichtigen Beraterin avanciert und unterstützt ihn nach seiner Corona-Quarantäne bei einem versuchten Neustart. Nach diversen Kehrtwenden in der Corona-Krise wirkte Johnson oft müde und gestresst. Viele Konservative wünschten sich den „alten“ kühnen Boris zurück, der als Bürgermeister Londons mit Begeisterung und zukunftsorientierter Politik gepunktet hatte.
„Verrückte Mullahs“
Symonds, die ihn damals kennenlernte und einen sozialliberalen Konservatismus vertritt, leitete die Revolte, die zum Abgang von Johnsons Chefberater Dominic Cummings und Kommunikationschef Lee Cain führte. Laut Medien widerstrebten ihr die von den Brexit-Hardlinern – ihr Spitzname für sie war „verrückte Mullahs“ – geschaffene „Macho-Kultur“ und Abschottung Johnsons von konservativen Parlamentariern.
Tatsächlich sagen viele, dass Johnson seither befreit und erfrischt wirkt und auf Sachpolitik und Visionen setzt, wie etwa von ihm kürzlich präsentierte Pläne für eine „grüne industrielle Revolution“. Viele sehen hier den Einfluss von Symonds, die als PR-Beraterin für die Umweltorganisation Oceana arbeitet und sich für Arten- und Klimaschutz einsetzt, sowie Johnsons neuer Sprecherin Allegra Stratton. Die alte Bekannte von Symonds soll ab Jänner via TV-Pressekonferenzen im Stil des Weißen Hauses in Johnsons Namen „mit der Nation kommunizieren“ und sein Image aufpolieren. „Er hat bisher nicht viel getan, um Anliegen von Frauen zu fördern“, sagt der Politologe Prof. Tim Bale von der Queen Mary Universität London dem KURIER.
Symonds könnte hier helfen. Die Geburt des gemeinsamen Sohnes Wilfred im April und die Tatsache, dass ihre Modewahl manchmal ähnlich analysiert wird wie die von Kate Middleton, ließ aber so manche ihre politischen Ambitionen unterschätzen. Downing Street musste jetzt sogar betonen, dass Symonds keine formelle Rolle oder Amt bekommt, auch wenn das Boulevardblatt Daily Mail schrieb, sie könnte zur „mächtigsten Partnerin eines Premiers in der Geschichte“ des Landes werden.
Laut ihren Kritikern flüstert die ungewählte Symonds mehrmals pro Tag Johnson ein und, so der Daily Telegraph, versucht aus dem Hinterzimmer „die Regierung via WhatsApp zu führen“. Experten weisen aber darauf hin, dass Partner Politiker oft informell beraten.
May nannte ihren Gatten Philipp etwa ihren „engsten Berater und politischen Verbündeten“. Symonds Feinde sprechen von einem „übergroßem Einfluss“ der Tochter eines Mitgründers des liberalen Independent, sagt Bale. „Ich sehe aber kein Problem darin, wenn Johnson gelegentlich Rat von ihr annimmt.“
Großes Netzwerk
Er betont auch ihr politisches Netzwerk und ihren Einfluss als Ex-Beraterin hoher konservativer Politiker. Als Kommunikationschefin der Partei „arbeitete sie im Hauptquartier der Konservativen, ist also kein politischer Neuling“. Ob ihr Netzwerk vor einer Unterhaus-Abstimmung am Dienstag über die Zuteilung verschiedener Regionen Englands zu drei Corona-Warnstufen helfen kann, wird sich zeigen. Bis zu 70 Tories lehnen diese ab.
Johnson hat aber dank seines Kuschelkurses diesmal Parlamentariern eine Kosten-Nutzen-Analyse versprochen. Obwohl sie den Brexit befürwortet und manche nach dem Abgang Cummings zuversichtlicher sind, dass ein Handelsabkommen mit der EU möglich ist, ist wenig bekannt über Symonds Meinung dazu. „Ich habe bisher nichts gehört“, sagt David Henig vom Think Tank European Centre for International Political Economy – wie auch andere Experten. Aber ausschließen, dass Symonds Johnson auch hier Rat geben könnte, will in London momentan niemand.
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