Johnson pokert: Drohung, den Brexit-Deal zurückzuziehen

Johnson pokert: Drohung, den Brexit-Deal zurückzuziehen
Bei Ablehnung des Zeitplans strebt der britische Premier Neuwahlen noch vor Weihnachten an.

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hat offen damit gedroht, seinen Brexit-Deal komplett aus dem Parlament zurückzuziehen und eine Neuwahl anzustreben. Dies sei dann nötig, wenn ihm die Abgeordneten die Zustimmung für seinen straffen Zeitplan zur Beratung der Brexit-Gesetze verweigerten, sagte Johnson am Dienstag im Parlament in London

Er werde auch Neuwahlen verlangen, sollten die Parlamentarier es ablehnen, dem von ihm vorgesehenen Abstimmungsmarathon in dieser Woche zuzustimmen, sagte Johnson.

Am Abend findet im Unterhaus eine Abstimmung über eine Vorlage der Regierung statt, derzufolge sich die Abgeordneten dazu verpflichten sollen, den Brexit-Gesetzgebungsprozess bis Donnerstagabend abzuschließen. Eine Ablehnung des Zeitplans würde "den Pfad für einen No-Deal-Brexit in neun Tagen öffnen", sagte Johnson. Er steuerte am Dienstagabend auf eine hauchdünne und möglicherweise wegweisende Parlamentsentscheidung zum Brexit zu. Die Abgeordneten des Unterhauses werden nach der zweiten Lesung des Brexit-Deals nicht nur ein Meinungsbild zu dem Gesetzespaket abgeben, sondern auch über den von Johnson vorgeschlagenen Zeitplan abstimmen.

Johnson: Sein Deal oder No-Deal-Brexit

Der Premier sagte weiter, eine Abstimmungsniederlage würde die Macht über den weiteren Verlauf an die EU weitergeben. Der beste Weg, einen No-Deal-Brexit zu vermeiden, sei es, einem Deal zuzustimmen.

Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, sagte, seine Partei werde Johnsons Brexit-Deal oder den Zeitplan der Regierung nicht unterstützen. Aus Parteikreisen hieß es weiters, Neuwahlen würde Labour nur dann unterstützen, wenn es von der EU eine ausreichend lange Verlängerung der Brexit-Frist gebe und ein No-Deal-Brexit ausgeschlossen ist.

Schlechte Aussichten für straffen Zeitplan

Während der Premier bessere Chancen hat, die Abstimmung zum Meinungsbild zu gewinnen, könnte ihm die Mehrheit für den Zeitplan fehlen. Unter anderem überlegen nach britischen Medienberichten die zehn Abgeordneten der DUP, gegen den straffen Zeitplan Johnsons zu stimmen, der das 110 Seiten starke Gesetz mit zahlreichen Querverweisen auf weitere Bestimmungen in nur drei Tagen durchboxen will.

Kritik war daran zuvor auch von Labour und der schottischen SNP gekommen. Nach BBC-Informationen überlegen auch Rebellen aus Johnsons eigener konservativer Tory-Partei, ihren Regierungschef im Stich zu lassen. Normalerweise gilt für solche Vorhaben eine Mindestdauer von 21 Tagen für den parlamentarischen Prozess. Die Kritiker machen geltend, in drei Tagen seien die Implikationen des Gesetzes nicht zu erfassen.

Die Kritiker machen geltend, in so kurzer Zeit seien die Implikationen des Gesetzes nicht zu erfassen. Der Labour-Experte Keir Starmer bezeichnete das Vorgehen als "skandalös". Auch Pete Wishart von der Schottischen Nationalpartei war erbost: "Wie um Himmels willen sollen wir die Chance haben, das angemessen zu beurteilen?"

Weniger Zeit für Brexit als für Zirkustiere

Nach Angaben des Brexit-Experten Joe Owen von der Denkfabrik The Institute for Government bekommt das Gesetz zum EU-Austritt weniger Zeit im Unterhaus als ein Gesetz für Wildtiere in britischen Zirkussen: Es habe nur 19 Tiere betroffen, darunter zwei Kamele.

Insgesamt umfasst das Verfahren drei Lesungen in beiden Parlamentskammern. Die Abgeordneten können noch Anträge einbringen, die das Abkommen im Kern verändern würden - zum Beispiel eine dauerhafte Zollunion mit der EU. Denkbar ist auch eine Vorgabe, den Deal den Briten in einem zweiten Referendum vorzulegen.

Erst am Montag hatte Johnson eine Niederlage hinnehmen müssen: Parlamentspräsident John Bercow ließ eine Abstimmung über den neuen Brexit-Deal nicht zu. Er begründete seine Ablehnung damit, dass der Entwurf der Regierung in seinem Inhalt der gleiche wie der vom Samstag sei. Auch die Umstände hätten sich nicht geändert. Das Unterhaus sollte eigentlich am Samstag über den Deal abstimmen. Die Abgeordneten votierten aber dann dafür, die Entscheidung zu verschieben. Damit wollten sie einen Chaos-Brexit ausschließen.

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