Verstöße gegen das Spionage-Gesetz, vorsätzliches Zurückhalten von Staats-Dokumenten, die die nationale Sicherheit betreffen, Falschaussagen, Verschwörung zur Behinderung der Justiz: Die am Freitag veröffentlichte Anklageschrift gegen Donald Trump umfasst insgesamt 37 Anklagepunkte. Allein 31 davon betreffen die vorsätzliche Aufbewahrung von Informationen der nationalen Verteidigung. Dieser Punkt fällt unter das US-Spionagegesetz und kann mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden.
Kommenden Dienstag, einen Tag vor seinem 77. Geburtstag, muss sich der ehemalige US-Präsident, der erneut ins Weiße Haus stirbt und als Favorit seiner republikanischen Partei für die Wahl 2024 gilt, in Miami/Florida zur Anklageverlesung der Justiz stellen.
Was mit Billigung von Justizminister Merrick Garland und der vorherigen Zustimmung einer Geschworenen-Jury gegen den 45. Präsidenten der USA vorgebracht wird, ist starker Tobak. Noch nie ist ein ehemaliger Präsident der Vereinigten Staaten auf Bundesebene strafrechtlich angeklagt worden.
Nachdem die Anwälte informiert wurden, legten gleich zwei ihr Mandat zurück. Sie hätten Trump in der früh über ihren Schritt informiert, teilten John Rowley und Jim Trusty am Freitag überraschend mit. Zu den Gründen war zunächst nichts bekannt. Es sei eine Ehre gewesen, Trump im letzten Jahr verteidigen zu dürfen, erklärten die beiden Anwälte.
Trump reagiert aggressiv
Nachdem seine Anwälte informiert worden waren, reagierte Trump gewohnt aggressiv. Der Ex-Präsident, der zwei Amtsenthebungsverfahren überstanden hat, nannte die Regierung „korrupt“ und konstatierte: „Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass so etwas einem ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten passieren könnte.“
Trump frustriert
Insider berichten, dass Trump besonders frustriert ist, weil ihm Berater bis zuletzt vermittelt hätten, dass es keine Anklage geben werde. Obwohl die Details der sieben Anklagepunkte, über die Leitmedien wie die New York Times vorab berichteten, öffentlich noch nicht bekannt sind, sprang das republikanische Establishment dem Wahlverlierer von 2020 fast geschlossen zur Seite.
Stellvertretend für viele erklärte der Fraktionschef der Republikaner im Repräsentantenhaus, Steve Scalise: „Seien wir uns darüber im Klaren, was da vor sich geht: Joe Biden setzt das Justizministerium gegen seinen eigenen politischen Rivalen als Waffe ein.“
Allein Asa Hutchinson forderte Konsequenzen. Der ehemalige Gouverneur des Bundesstaates Arkansas, der ebenfalls zu den republikanischen Bewerbern um das Präsidentschaftsticket 2024 zählt, erklärte: „Donald Trump steht die Unschuldsvermutung zu. Aber die laufenden strafrechtlichen Verfahren stellen eine massive Ablenkung dar. Das verstärkt die Notwendigkeit, dass Donald Trump seine Bewerbungskampagne beendet.“
Noch eine Anklage?
Soweit die offiziellen Verlautbarungen. Intern geht man davon aus, dass Trump „politisch ausbluten könnte“, wenn in den nächsten Wochen auch aus dem Bundesstaat Georgia eine Anklage kommen sollte. Dort hatte Trump massiven Druck auf oberste Wahlbeamte ausgeübt, das Ergebnis der Wahl 2020 nachträglich zu Ungunsten von Joe Biden frisieren zu lassen. Die zuständige Staatsanwältin Fani Willis in Atlanta will voraussichtlich im Juli oder August Anklage erheben.
Wie sich der Fall auf Trumps Kandidatur für die Wahl in 17 Monaten auswirken wird, ist zur Stunde nicht verlässlich zu beantworten. Die beiden vorangegangenen Fälle – die illegal verbuchten Schweigegeldzahlungen an einen Porno-Star und die Verleumdungsklage einer Frau, die dem Milliardär sexuellen Missbrauch vorwirft – sind noch lange nicht rechtskräftig entschieden. Trumps Umfragewerte lassen bisher darauf schließen, dass seine Kern-Anhänger ihm die vorgehaltenen Taten als Kavaliers-Delikte durchgehen lassen und ihn trotzdem wählen werden.
Der aktuelle Fall, das sagen selbst Republikaner, ist aber schwergewichtiger. Bis heute ist nicht klar, welche hoch geheimen Unterlagen, die auch militärische und geheimdienstliche Informationen enthalten sollen, Trump am Ende seiner Amtszeit mit in seinen Privat-Palast nach Mar-a-Lago genommen hat. Und warum er sie, trotz gerichtlicher Strafandrohung, nicht frühzeitig und vollständig an das National-Archiv übergeben hat. Und warum er offenbar seine eigenen Anwälte belogen hat, als diese in der ersten Jahreshälfte 2022 gegenüber der Justiz erklärten, sämtliche Dokumente seien ausgehändigt worden. Kurzum: Das genaue Motiv für Trumps Dokumenten-Kabale ist noch unbekannt.
Republikanische Wahlstrategen wittern hier Gefahr. Sollte sich herausstellen, dass Trump Amerikas Sicherheitsinteressen etwa im Nahen Osten (Israel, Iran und Saudi-Arabien) zu Geld machen wollte, in dem er Top-Secret-Infos über Atomwaffen und potenzielle Angriffs-Szenarien gegen Teheran an Dritte weitergab oder dies in Aussicht stellte, könnte sich die öffentliche Meinung auch in konservativen Kreisen drehen und den Ruf nach einer Alternative lauter werden lassen.
Noch ist überhaupt nicht klar, wann ein Prozess stattfinden könnte. Im Frühjahr 2024 muss sich Trump bereits in New York (wegen Schweigegeldzahlungen an Porno-Star etc.) verantworten. Jedes Datum danach käme dem Wahltermin im November gefährlich nahe. Nicht auszuschließen, dass der Fall Miami erst nach der Präsidentschaftswahl, also 2025, eröffnet wird. Wäre Trump dann der neue, alte Präsident, könnte er den Prozess quasi im Alleingang abblasen.
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