Hart schlagen die Stöcke der Herolde auch an diesem Karfreitag auf dem Pflaster der Altstadt auf. Weit hörbar kündigen sie die feierliche Ankunft des Jerusalemer Patriarchen an. Ein Privileg, das vor zwei Jahrhunderten der Sultan dem höchsten katholischen Würdenträger des Heiligen Landes gewährte. Bis heute erinnern daran die türkischen Uniformen der Herolde. Die Herrschaft des Sultans über Jerusalem endete vor über 100 Jahren, das Sonderrecht dauert bis heute an. In Jerusalem hat alles einen Ewigkeitsanspruch.
Nur der Frieden nicht. Der war im Laufe der Jahrtausende immer nur dann und wann zu Gast. Auch Patriarch Pierbattista Pizzaballa weiß das, der im Kardinalrot gleich hinter den Herolden schreitet. Der elegante Italiener kann seine Botschaft fließend auf Arabisch und Hebräisch verkünden. Doch wer hört hin? Wenn er in seiner Predigt neben dem Heiligen Grab Jesus sagt: „In diesen Tagen wird die Sehnsucht nach Frieden leicht dem Verlangen nach Sieg gleichgesetzt.“
Fastenzeit und Ramadan überschneiden sich in diesem Jahr. Doch gibt es über den Mondkalender hinaus noch Gemeinsamkeiten? Dem aufgestockten Polizeiaufgebot in der Altstadt zufolge wird die Aussicht auf erlösenden Neuanfang nach allem Fasten nicht allzu hoch eingeschätzt.
Der Pfarrgeistliche von Gaza
Ganz im Gegensatz zur großen Zahl der gläubigen Muslime, die zur heiligen Al-Aksa-Moschee eilen. Festlich weiß und bunt gekleidet. Immerhin doch eine Gemeinsamkeit mit der Prozession bunter Soutanen hinter dem Kardinal. Im Rot und Lila sticht ein einfach schwarz gekleideter Priester heraus – der einfache Pfarrgeistliche der Kirche der Heiligen Familie – in Gaza. Am 7. Oktober 2023 hatte er in Bethlehem Medikamente für das Kinderheim der Gemeinde eingekauft. Der mörderische Überfall der Hamas auf Israels Süden überraschte ihn. Jetzt hindert er ihn am Rückweg durch die Fronten.
Gabriel Romanelli hat nur sporadischen Telefonkontakt mit seiner Gemeinde. Von 1017 Christen im Gazastreifen haben um die 700 auf dem Gelände der katholischen Pfarre Zuflucht gefunden. Vier von 54 gehandicapten Kindern im Heim der Theresienschwestern starben bereits infolge mangelnder Versorgung. Zwei Frauen wurden vor der Kirche erschossen. Durch Schüsse der Hamas? Der israelischen Armee? „Für die Frauen ist das nicht mehr wichtig. Sie sind tot.“
Der Patriarch wandte sich an Israels Armeeführung und machte auf den Zufluchtsort im Chaos aufmerksam. „Die Versorgung über Lkw-Konvois und aus der Luft mit Fallschirmen kommt nicht voll bei den Menschen an.“ Strom gibt es über ein Solardach. Gas und Benzin reichen nicht, die Preise kletterten um das Zehnfache. „Gekocht wird nur zwei Mal die Woche.“
Die Ungewissheit quält
Der Geistliche lebt seit Jahrzehnten im Nahen Osten und kann nicht sagen, wie viele Kriege er durchmachen musste. „Diesmal aber ist es anders. Nach sechs Monaten zeichnet sich immer noch kein Ende ab. Es ist die Ungewissheit, die so quält.“
Gazas Kirche zur Heiligen Familie hat österreichische Wurzeln, erinnert sich Romanelli. Der Tiroler Missionar Georg Gatt hat sie gründet. Wie das Österreichische Pilgerhospiz in Jerusalem ist sie der Heiligen Familie geweiht. Beide entstanden fast gleichzeitig in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Probleme des Hospizes nehmen sich in Kriegszeiten neben denen der Gemeinde in Gaza lässlich aus. Rektor Markus Bugnyar bemüht sich mit allen Kräften um Unterstützung der Schwestergemeinde in Gaza.
Im Hospiz geht es vor Ostern wieder langsam aufwärts. Wie immer sind die Pilger die Ersten, die in Krisenzeiten den Weg nach Jerusalem finden. Doch es sind längs nicht so viele wie früher. Zudem sinkt die Zahl der Bewerber um die freien Zivildienststellen – im Gegensatz zur wieder steigenden Besucherzahl. „Das kann schon bald zu einem Problem werden“, erklärt Lucas Maier, heute Manager des Gästehauses und selbst einst Zivildiener.
Neuanfang? Frühling? An diesem Osterfest sind kaum Jubelgefühle zu spüren. Sie sind aber auch nicht ganz verschwunden. In Jerusalem hat eben alles seinen Ewigkeitsanspruch.
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