Die konservative Tageszeitung Clarin kommentierte deswegen: „Milei vergeudet seine besten Tage.“ Ähnlich sieht es der in Buenos Aires ansässige deutsche Wirtschaftsberater und Analyst Carlos Moses im Gespräch mit dem KURIER: „Es wären Mehrheiten für marktfreundliche Reformen vorhanden, wenn Milei den Bogen nicht überspannen würde.“
Opposition hofft wieder
Tatsächlich geht Milei recht „robust“ mit jenen Kräften um, die ihm die Zustimmung zum umfassenden Reformprogramm zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Sanierung des hoch verschuldeten Staates verweigern. Antipatriotisch seien die, Verräter gar. Eigentlich müsste Milei aber angesichts fehlender Mehrheiten in den Parlamenten parteiübergreifend verhandeln, das fällt dem egozentrischen Ökonomen aber schwer. Weshalb die 2023 krachend abgewählte Opposition nach drei Monaten bereits wieder Hoffnung schöpft. „Es wäre ein Wunder, wenn Javier Milei vier Jahre durchhält“, wird Emilio Persico von der peronistischen „Bewegung Evita“ in argentinischen Medien zitiert.
Dabei gibt es durchaus kleinere Silberstreife am Horizont: Relativ sank die Inflation zwar – lag im heurigen Februar aber immer noch auf dem astronomischen Niveau von fast 280 Prozent. Die Inflationsentwicklung ist aber grundsätzlich positiv, ähnlich wie der erste Haushaltsüberschuss seit Jahren in Höhe von 622 Millionen US-Dollar.
Es sind diese kleinen Schritte, die im Milei-Lager Hoffnung wecken, die Kehrtwende tatsächlich zu schaffen. Mitte Dezember hatte Milei ein völlig überschuldetes Land mit Massenarmut und hoher Inflation übernommen. Und wegen seiner „Schocktherapie“ ein schweres erstes Jahr angekündigt, ehe es tatsächlich aufwärts gehen soll. Wie schwer dieses erste Jahr tatsächlich ist, zeigen die Zahlen des Sozialobservatoriums der katholischen Universität UCA. Deren Messung der Armutsrate gilt als politisch unabhängig und hat bisher noch jede Regierung in Bedrängnis gemacht. Auch Milei macht nun diese Erfahrung: Seit seinem Amtsantritt ist die Zahl der Bedürftigen nochmals von 45 Prozent auf 57 Prozent gestiegen.
Argentiniens Armenpriester, traditionell dem lang regierenden, überwiegend linksgerichteten Peronismus zugetan, schlagen Alarm: „Wir sind zutiefst beunruhigt über die Brutalität der von der nationalen Regierung durchgeführten Anpassungen, die vor allem ärmere Volksschichten, die Arbeitnehmer und die Rentner, treffen“, heißt es in einer am Wochenende veröffentlichten gemeinsamen Erklärung.
EU setzt auf Milei
Außenpolitisch hat sich Milei in den ersten 100 Tagen ziemlich eindeutig positioniert. Er stellt sich auf die Seite Israels und der Ukraine, versucht die Verbindungen nach Europa und in die USA zu stärken. Bei den wieder einmal ins Stocken geratenen Freihandelsverhandlungen der EU mit dem südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur setzt die EU auf Milei, der zudem eine weitere Expansion Chinas auf dem Kontinent wegen seiner kritischen Haltung zu Peking eindämmen soll.
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