Japanerinnen sollen’s richten

Immer weniger Kinder, immer mehr Ältere: In Japan kommen auf ein Kind unter 15 Jahren zwei über 65-jährige Japaner
Immer weniger Arbeitskräfte – Regierung hofft nun auf die Frauen.

Immer weniger Babys – ein Schreckensszenario für jeden Windelproduzenten. Nicht so für den Unicharm-Konzern. Japans größter Windelhersteller verkauft seit drei Jahren mehr Windeln für Erwachsene als für Kinder – und daran wird sich angesichts der rapide alternden Gesellschaft Japans in den nächsten Jahren nichts ändern.

Im Gegenteil. Bereits 26 Prozent der 127 Millionen Japaner sind über 65 Jahre alt, legen die neuesten, am Sonntag präsentierten Zahlen der Regierung offen. Seit Beginn der offiziellen Zählungen in den 1950er-Jahren gab es noch nie so viele alte Japaner – und noch nie so wenig Junge. 16 Millionen Kinder unter 15 Jahren – das entspricht genau der Hälfte der Über-65-Jährigen.

Hält der Trend an, steht die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt bald vor gewaltigen Problemen: Die Arbeitskräfte werden ausgehen. Eine massive Steigerung der Zuwanderung kommt für Japan nicht infrage. Also kann es aus Sicht der japanischen Regierung nur eine Lösung geben: Mehr Frauen müssen auf den Arbeitsmarkt.

Mehr Wachstum

"Wir wollen die Frauen in unserer Wirtschaft zum Leuchten bringen", versprach Regierungschef Shinzo Abe: Frauenförderung, bisher ein Stiefkind der stark von Männern dominierten japanischen Politik, solle laut Abe "das Herzstück unserer Wachstumsstrategie werden". Auch der Internationale Währungsfonds hatte Japan gerügt: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf könne um bis zu vier Prozentpunkte gesteigert werden, wenn endlich mehr Japanerinnen arbeiteten.

Doch bei den Unternehmern sind die neuen Vorgaben der Regierung noch nicht so recht angekommen. Weil 70 Prozent der Frauen spätestens mit der Geburt ihres ersten Kindes für mindestens zehn Jahre oder überhaupt aus dem Erwerbsleben ausscheiden, stellen die meisten Firmen gleich lieber männliche Nachwuchskräfte ein.

Selbst Karen Kawabata, Absolventin einer der Spitzenuniversitäten Tokios, steht vor ähnlichen Problemen. Dass die junge Ökonomin seit ihrer Anstellung zahllose Überstunden oft bis weit nach Mitternacht leistet, setzt sie weniger unter Druck als ihr Ehemann und Schwiegervater. "Ich musste ihnen versprechen, dass ich meine Karriereplanung bald überdenke", schildert die Japanerin dem Wirtschaftsmagazin economist.

Reine Frauensache

Denn Kinderbetreuung und Haushalt – das ist im streng konservativen Familienbild der Japaner weiter reine Frauensache. Was vor allem bei den best ausgebildeten Japanerinnen zur Folge hat: Sie verzichten immer öfter ganz auf Ehe und Kinder.

Erst langsam brechen alte Barrieren auf. Mit Hochdruck arbeitet die Regierung derzeit daran, die Kinderbetreuungsstätten auszubauen. Japans größter Lebensversicherer, Nippon Life, forderte jüngst gar alle frisch gebackenen Väter auf, mindestens eine Woche Vaterschaftsurlaub zu nehmen. Eine unerhörte Neuerung in einem Land, wo Väter mangels entsprechender Urlaubsregelungen ihre Frauen nicht einmal in den Kreißsaal begleiten können. Und das japanische Mega-Handelshaus Itochu legte nach: Frauen, aber auch junge Väter sollten nicht so viele Überstunden machen – also nicht länger als bis 20 Uhr.

Demografischer Wandel

Seit 2005 sinkt Japans Bevölkerung kontinuierlich – pro Jahr gibt es seither mehr Todesfälle als Geburten. Auch 2013 sank die Bevölkerung um 0,17 Prozentpunkte auf 127,3 Mio. Menschen. Die Geburtenrate ist mit 1,39 Kinder pro Japanerin eine der niedrigsten der Welt – gleichzeitig werden die Menschen nirgendwo älter als in Japan: Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt für Männer 82, für Frauen 86 Jahre.

Kaum Zuwanderer

Schon jetzt ist mehr als ein Viertel aller Japaner älter als 65. Hält der Trend an und öffnet sich das Inselreich nicht mehr für Zuwanderer, wird das Land in den nächsten 50 Jahren ein Drittel seiner Bevölkerung verlieren.

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