"Respektlosigkeit"
Bis vor Kurzem antwortete Draghi unwirsch auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, Mattarellas Nachfolger zu werden. Er empfinde diese Frage als eine Respektlosigkeit gegenüber dem Staatsoberhaupt, sagte er. Ganz anders klang es aber am Mittwoch im Laufe einer Pressekonferenz. Ein paar Aussagen ließen aufhorchen.
Auf die Frage, was er nun zu tun gedenke, antwortete er dieses Mal: "Mein persönlicher Werdegang zählt hier absolut nicht. Ich hab keine besonderen Bestrebungen, ich bin nur ein Mann und ein Großvater im Dienste der Nation."
Eine Antwort, die so manchen beunruhigt.
Angefangen bei Silvio Berlusconi, der selber Staatsoberhaupt werden möchte. Der Ex-Premier hat die Mitte-rechts-Koalition auf seine Kandidatur eingeschworen und sie so in große Verlegenheit gebracht. Denn weder der nationalistische Lega-Chef Matteo Salvini und noch weniger Giorgia Meloni, Vorsitzende der rechten Fratelli d’Italia, sind von der Idee begeistert.
Das Staatsoberhaupt wird in Italien von den zwei Kammern zusammen mit 58 Vertretern der Regionen gewählt. Bei den ersten drei Wahlgängen ist eine Dreiviertelmehrheit nötig, danach die absolute.
Diesmal hat das Mitte-Rechts-Lager genug Stimmen, um bei der Wahl ausschlaggebend zu sein. Diesen Vorsprung mit dem 85-jährigen, gesundheitlich angeschlagenen Cavaliere aufs Spiel zu setzen, gefällt Meloni und Salvini nicht. Doch sie befürchten, Berlusconi könnte sich rächen, indem er etwa seinen Parlamentariern anordnet, einen Kandidaten des Mitte-Links-Lagers zu unterstützen.
Der Traum des Cavaliere
Dass der Cavaliere bereit ist, zu allen Mitteln zu greifen, um seinen Traum zu verwirklichen, kann man auch einer Meldung entnehmen, die zwar zweitrangig ist, deren Timing sich aber für Spekulationen bestens eignet. Kurz nachdem sich Draghi als Großvater beschrieben hatte, trudelte die Meldung ein, Berlusconi sei mittlerweile Urgroßvater. Interessant ist dabei, dass er das schon seit April ist.
Doch angenommen Draghi würde das nächste Staatsoberhaupt – was würde das für Italien bedeuten? Und nicht nur für Italien.
Immerhin bekommt Italien aus dem EU-Corona-Wiederaufbaufonds knapp 200 Milliarden Euro. Draghi versucht, die Sorgen vor Verschwendung und Chaos zu beschwichtigen. Die Regierung habe in den vergangenen Monaten die nötigen Voraussetzungen geschaffen, damit "egal, wer sie in Zukunft führt", der Wiederaufbauplan fortgesetzt wird.
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