Autos beschlagnahmt, Namen verboten: Wie Meloni Fiat "italienischer" machen will
Der Fiat Topolino sieht so italienisch aus wie nur möglich: Klein, wendig, mit runden Scheinwerfern – eine gelungene Hommage an den ikonischen Fiat 500 Topolino aus den 1930ern.
Den Behörden war das Auto aber nicht italienisch genug. Im Frühling beschlagnahmte der Zoll im toskanischen Livorno mehr als 100 nagelneue Topolini; der Grund war die winzige italienische Fahne neben dem Türgriff. Die suggeriere, das Auto sei in Italien hergestellt – zusammengeschraubt wird es aber in Marokko.
Von VW überholt
Die Episode illustriert bestens, wie haarig die Beziehung zwischen der italienischen Autoindustrie und der Regierung ist. Seit Jahren kämpfen die Traditionsmarken Fiat, Alfa Romeo oder Lancia ums Überleben; in den 1970ern kam noch jedes zweite Auto in Italien aus Fiat-Werken, ist es heute nur mehr jedes Zehnte. Im Dezember stand mit VW erstmals kein italienischer Konzern mehr an der Spitze der Zulassungsstatistik.
Das war ein Schlag in die Magengrube der stolzen Italiener, den Regierungschefin Giorgia Meloni politisch verwertete. Sie forderte die heimischen Autobauer auf, wieder mehr im Inland zu produzieren, zumindest eine Million statt der derzeitigen 700.000 Autos müssten es sein. Ohnehin müssten Fiat, Alfa und Konsorten wieder "italienischer" werden: Fast alle großen Marken von Fiat abwärts gehören mittlerweile zu Stellantis, einer Fusion von Fiat mit der französischen Groupe PSA. Und bei der redet der französische Staat mit, Rom aber nicht; und die Konzernzentrale ist in Paris.
Den „Franzosen verkauft“
Illoyalität zur Nation, das ist der große Vorwurf: „Wenn man ein Auto auf dem Weltmarkt als ein italienisches Juwel verkaufen will, dann muss dieses Auto in Italien hergestellt worden sein“, sagte die Postfaschistin. Auch John Elkann, den Enkel von Fiat-Patron Gianni Agnelli, ging sie persönlich an: Er habe in eine „Scheinfusion“ eingewilligt - also Fiat an die Franzosen verkauft.
Dass Stellantis dazu in Italien gehörig einsparte, von 51.000 Fiat-Beschäftigten 7000 auf die Straße setzte und den Rest in Kurzarbeit schickte, die Produktion nach Osteuropa, Asien und Afrika verlagerte, brachte den Streit endgültig zum Eskalieren. Die Nadelstiche wurden immer mehr: Den neuen Alfa Romeo Milano, den Stellantis im Frühling präsentieren wollte, musste die Firma umbenennen, weil er in Polen gefertigt wird - der Name "Mailand" sei schließlich irreführend. Dazu grub das Handelsministerium, von Meloni in „Ministerium für Unternehmen und ,Made in Italy‘ umbenannt, extra ein Berlusconi-Gesetz aus dem Jahr 2003 aus; demnach müssen „italienisch klingende“ Erzeugnisse auch in Italien hergestellt sein.
Stellantis-Chef Carlos Tavares reagierte frustriert: Würde der Milano in Italien produziert, „hieße das 10.000 Euro Aufschlag auf die 41.500 Euro Verkaufspreis“, sagte er.
Aus für Maserati und Alfa?
All das mag kleinlich und ideologisch motiviert wirken, hat aber globale Dimensionen. Der gesamte europäische Automarkt steht unter Druck aus China, weil dort die Masse an E-Autos produziert wird; Stellantis-Chef Taveres hat darum angekündigt, vermehrt mit Peking zu kooperieren. Über das Stellantis-Joint-Venture Leapmotor will man chinesische E-Autos auf den europäischen Markt bringen, und das schon ab diesem Herbst. Produziert wird aber wieder in nicht in Italien: Die Stromautos werden im polnischen Tychy gebaut, Italiens Werke seien schlicht zu teuer.
Dazu will Stellantis unprofitable Marken schließen, spekuliert wird über das Aus für Ikonen wie Maserati oder Alfa. Laut Italiens Gewerkschaften - auch jenen, die Meloni nicht zu Gesicht stehen - sind damit weitere 25.000 Arbeitsplätze rund um den Konzern gefährdet. Für die ohnehin stets wankende Wirtschaft des Landes wäre das ein heftiger Schlag, für die Reputation sowieso.
Ikonen-Marken an China
Meloni sucht darum neue Wege, um Stallantis unter Druck zu setzen. Im Juli fuhr sie selbst nach Peking, begleitet von viel medialem Wirbel - dort schloss sich wieder Pekings Seidenstraßen-Initiative an, aus der sie 2022 noch unter lautem Poltern ausgetreten war. Die Hoffnung: Dass Chinas Autobauer Fabriken in Italien errichten und Jobs schaffen – also das, was Stellantis in ihren Augen nicht tut.
Als Warnung schickte man noch ein Dekret hinterher: Damit kann die Regierung seit fünf Jahren ungenutzte italienische Automarken (die theoretisch noch von Stellantis genutzt werden könnten) beschlagnahmen - und weiterverkaufen. Im Visier hat man angeblich die ikonischen Fiat-Marken Autobianchi and Innocenti: Die könnten künftig von chinesischen Fabrikanten gefertigt werden.
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