Italiens Asylexperiment in Albanien - Modell auch für Österreich?

Asylzentrum in Albanien, verwaltet wird es von Italien
Zwei von Italien betriebene Migrationszentren haben ihren Betrieb gestartet. Auch andere EU-Staaten suchen Wege, Asylansuchen auszulagern und verfolgen Italiens Vorgehen mit großem Interesse.

Libra, ein Schiff der italienischen Küstenwache, ist bereits unterwegs: Im Laufe dieser Woche wird das Schiff die ersten Migranten, die von der italienischen Küstenwache in internationalem Gewässer gerettet wurden, nach Albanien bringen.

Nach dem Screening wird es für Frauen, Minderjährige und Hilfsbedürftige Richtung Italien gehen. Die Männer sollen stattdessen nach Albanien, wo sie in den seit diesem Sonntag eröffneten Zentren ihren Asylantrag stellen können.

Rom entscheidet

Ende 2023 hatte Rom ein Abkommen mit der Regierung Albaniens unterschrieben, das den Bau eines Hotspots im Hafen von Shengjin vorsah, sowie ein Aufnahme- und Abschiebungslager im 20 Kilometer landeinwärts gelegenen Gjadër. In beiden Anlagen liegt die Rechtsprechung bei Italien.

Doch gerade einmal geöffnet, könnten sie gleich wieder geschlossen werden.

Premierministerin Giorgia Meloni ist sehr stolz auf diese Lösung und darauf, dass etliche europäische Regierungen mit Interesse auf das Albanien-Modell blicken. „Wobei es nicht nur um konservative Regierungen, sondern auch um sogenannte progressive geht“, hebt Gianfranco Schiavone, einer der wichtigsten Experten in Sachen Asylrecht im Gespräch mit dem KURIER hervor. Auch Österreich und Deutschland bekundeten ihr Interesse.

Absage an Berlin

Der albanische Premier Edi Rama hat jedoch Berlin wissen lassen, sein Land stehe für deutsche Ansuchen und Anlagen dieser Art nicht zur Verfügung.

Was das Modell Albanien spannend macht, ist, dass es rechtmäßig gegen so manche EU-Vorschrift verstößt. Sollte Rom bei diesbezüglichen Rechtsstreitigkeiten verlieren, hätte die jetzige Rechts-Mitte-Regierung von Premierministerin Meloni 800 Millionen Euro in den Sand gestampft.

Die Entscheidung liegt bei den italienischen Richtern, die sich mit den Anträgen aus Albanien befassen werden.

Zu den größten Problemen zählt für Schiavone die Abgeschiedenheit des Aufnahme- und Rückführungslager in Gjadër. „Das EU-Recht verbietet die pauschale Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Asylbewerber, außer es gibt einen nachvollziehbaren Grund“, erklärt er.

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Asylzentrum in Gjader: Über 1.000 Asylsuchende haben hier Platz

Das heißt, solange der Migrant darauf wartet, ob sein Antrag angenommen wurde oder nicht, kann er sich frei bewegen.

In Italien ist das auch der Fall, in Albanien wird es aber nicht so sein.

Italiens Innenminister Matteo Piantedosi sagte zwar unlängst, das Lager sei kein Hochsicherheitstrakt und habe keinen Stacheldraht. Das stimmt, doch der meterhohe Zaun, der das ganze Gebiet umgibt, signalisiert keine Bewegungsfreiheit. Während im Hafenhotspot bis zu 300 Migranten Platz haben, werden es in Gjadër bis zu 1.120 sein. Maximal vier Wochen soll es dauern, bis der Migrant über sein Schicksal Bescheid weiß.

Abschiebelager

Bei negativem Urteil wird er in das Abschiebungslager verlegt, wo er nicht länger als 18 Monate festgehalten werden darf. Was mit ihm geschieht, sollte er bis dahin nicht abgeschoben worden sein, bleibt eine offene Frage.

Das Problem, das Rom zum Verhängnis werden könnte, hat mit der Definition „sicheres Herkunftsland“ zu tun. Die italienischen Richter könnten sich der Interpretation der jetzigen Regierung widersetzen.

Sicheres Herkunftsland

Wie der Europäische Gerichtshof am 4. Oktober festlegte, gilt als sicheres Herkunftsland, wenn in diesem die grundlegenden Menschenrechte überall, immer und ausnahmslos beachtet werden. „Viele der Länder, die Italien für sicher bewertet, sind es aber laut Europäischem Gerichtshof nicht, zum Beispiel Ägypten, Bangladesch und Tunesien, aus denen die meisten Migranten kommen“, sagt Schiavone. Und fügt hinzu: Auch Deutschland habe unlängst Migranten nach Afghanistan abgeschoben.

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Aus Seenot gerettete Migranten vor der Küste Italiens

Mangelnde Rechtshilfe

Und dann sei da noch das Problem der rechtlichen Betreuung der Migranten. Jene, die in Italien gelandet sind, haben die Möglichkeit, sich an Organisationen zu wenden, die helfen – wenn etwa Einspruch gegen die Ablehnung eines Asylantrags eingelegt werden soll. „Aber für die, die in Albanien landen, wäre das enorm schwer. Sie kennen dort niemanden und sind vom Rest der Bevölkerung vollkommen abgeschottet“, fährt Schiavone fort.

„Der Asylantrag, das Gespräch mit den zuständigen Beamten, dem Pflichtverteidiger und dem Richter, alles erfolgt per Videoschaltung.“ Laut der Tageszeitung La Stampa kostet den italienischen Staat die Instandhaltung der Anlagen in Albanien und die Gehälter des aus Italien eingeflogenen Personals eine Million Euro im Monat. Außendienstposten für Richter, Pflichtverteidiger und Dolmetscher sind nicht vorgesehen.

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