Der renommierte türkische Politologe und Mitbegründer des Thinktanks „Ankara Global Advisory Group“, Hüseyin Bağci, zeigt sich im KURIER-Interview fassungslos, zugleich beruhigt er: „Immer wenn Erdoğan frei spricht, wird es gefährlich.“
Allerdings habe ein AKP-naher Journalist bereits tags darauf betont, dass die Türkei an keiner militärischen Auseinandersetzung mit Israel interessiert sei. „Allen in Ankara ist klar, dass eine Konfrontation mit Israel einen Krieg mit den USA bedeuten würde“, sagt Bağci.
Fehdehandschuh
Dennoch war der verbale Fehdehandschuh geworfen, und Israels Außenminister Israel Katz nahm ihn umgehend auf und formulierte auf der Plattform X, ehemals Twitter, eine Gegendrohung: „Erdoğan tritt in die Fußstapfen von Saddam Hussein ... Er soll sich nur daran erinnern, was dort geschah und wie es endete.“
Zur Erinnerung: Nach dem Einmarsch der US-Truppen im Zweistromland 2003, dem Sturz und der Verhaftung des damaligen irakischen Präsidenten wurde dieser drei Jahre später wegen Massakern an Kurden und Schiiten hingerichtet, er starb am Galgen.
Der Konter aus Jerusalem rief dann wieder das Außenministerium in Ankara auf den Plan. Dort hieß es am Montag: „Das Ende des Völkermörders Netanjahu (Israels Premier) wird so sein, wie das Ende des Völkermörders Hitler.“ Zuvor hatte Erdoğan das Vorgehen Israels gegen die radikal-islamische Hamas im Gazastreifen, die er eine „Befreiungsorganisation“ nennt, mehrmals als Genozid gegeißelt.
„Terrorstaat“
Als „kindisch“ bezeichnet Hüseyin Bağci den bilateralen, verbalen Schlagabtausch. In Wahrheit hätten beide Seiten kein Interesse an einer militärischen Eskalation.
Wiewohl der türkische Staatschef in der Vergangenheit immer wieder harte Worte gegenüber Israel gefunden hat. So meinte er einmal nach dem Überfall der Hamas auf Israel und des darauf folgenden Einmarsches der Armee in den Gazastreifen: „Israel verfolgt eine Strategie der völligen Vernichtung einer Stadt und ihrer Bevölkerung. Ich sage ganz klar und offen, dass Israel ein Terrorstaat ist.“
Ein anderes Mal zweifelte Erdoğan das Existenzrecht Israels an. „Diejenigen, die das Land, auf dem die palästinensische Bevölkerung seit Tausenden Jahren lebt, gewaltsam enteignen, versuchen, einen Staat aufzubauen, dessen Geschichte nur 75 Jahre zurückreicht und dessen Legitimität durch den eigenen Faschismus infrage gestellt wird.“
Was Erdoğan eigentlich will
Für Hüseyin Bağci verfolgt der türkische Präsident mit solchen Aussagen zwei Ziele. Einerseits „will er damit sein konservatives, national-religiöses Wählerklientel bedienen“, das immer noch das Rückgrat seiner Erfolge an den Urnen darstellt. Andererseits wolle Recep Tayyip Erdoğan mit seiner Parteinahme für die Palästinenser eine zentrale Rolle in der Lösung des Nahost-Konfliktes für die Türkei beanspruchen. „Doch das kann nicht gelingen“, meint der Politologe, „denn die arabischen Staaten wollen ihn gar nicht in dieser Position.“
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