Sinkende Umfragewerte
Trotzdem: Die Debatte um den Haushalt mit den übergroßen Forderungen seiner extremistischen Partner hat bereits für einen Erdrutsch in den Umfragen gesorgt. Gelder für die Ausbildung von Schriftgelehrten und Rabbinern angesichts steigender Preise für Nahrung und Wohnungen wie auch kletternde Zinssätze kommen bei den Wählern nicht gut an.
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„Vier Jahre durchregieren“ wird für Netanyahu auch mit dem neuen Haushalt alles andere als leicht. Noch am Morgen nach der Abstimmung brachen mehrere, bisher leise schwelenden Streitereien in den Koalitionsparteien hörbar aus. Netanyahus schwierigste Hürde aber wird die von ihm groß angekündigte Justizreform sein. Seine Koalitionspartner stehen hinter ihm bei diesem Versuch, das Oberste Gericht zu entmachten.
„Regierungsgenehm“
Nicht so seine eigene Likud-Partei. Immer vernehmbarer wird Kritik gegen diesen Versuch, durch ein neues Ernennungsgremium für neue Richter den Obersten Gerichtshof „regierungsgenehmer“ zu gestalten.
Heftig kritisiert wird auch ein Gesetz, das Urteile des Obersten Gerichts durch einfache Mehrheit im Parlament außer Kraft setzen soll.
Massenproteste
Schon vergangenes Wochenende gingen die seit Monaten andauernden Massenproteste gegen die Reform nach einigen Tagen Pause weiter. Wegen der stetig steigenden Inflation können sie jetzt sogar zunehmen.
Obwohl Netanyahu sich durch die Justizreform Hoffnungen machen könnte, die gegen ihn laufenden Korruptionsanklagen abzublocken, signalisierte er doch angesichts der wachsenden Proteste Kompromissbereitschaft. Was bei seinen Koalitionspartnern – den frommen wie den Extremistischen – gar nicht gut ankommt. Sie beharren auf „die Einhaltung unseres wichtigsten Versprechens an die Wähler“.
Der Haushalt mag verabschiedet sein, doch die politischen Probleme der Koalition stehen erst am Anfang. Zu den Querelen seiner Koalitionspartner untereinander und dem Druck der Öffentlichkeit gegen die Justizreform kommen auch noch die Drohungen von außen.
Schon während der Militäroperation Anfang Mai gegen die militant-islamistische Dschihad-Miliz im Gazastreifen gab es Befürchtungen, der Waffengang könne sich ausweiten.
Norbert Jessen, Tel Aviv
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