Israel soll Palästinenser als menschliche Schutzschilde missbraucht haben
„Sie haben mir die Hände am Rücken festgezurrt, und dann wurde mir per Lautsprecher befohlen den Garten zu betreten, der voller Zeugs war. Ich musste Ziegel, Metallgegenstände oder leere Boxen wegtreten (wo Explosivmaterial vermutet wurden, Anm.). Als plötzlich hinter einem Generator etwas zu vernehmen war, eröffneten die (israelischen; Anm.) Soldaten sofort das Feuer, die Kugeln ging nur knapp an mir vorbei. Das Geräusch stammte von einer Katze.“
Mit diesen Worten zitiert die „New York Times“ Basheer al-Dalou, einen Pharmazeuten aus Gaza-Stadt. Wie andere Palästinenser soll auch der jetzt 43-Jährige von Israels Armee als menschliches Schutzschild missbraucht worden sein – und das nicht nur einmal. Am selben Tag habe er auch vor einem Panzer in Richtung einer Moschee gehen müssen, in der die Soldaten Hamas-Kämpfer vermutet hätten.
Als er dann erfuhr, dass er in ein israelisches Gefängnis gesteckt werde, habe er zwar erwartet, dass er dort missbraucht werde, aber immerhin „konnte ich diesen gefährlichen Orte verlassen“, sagte der Palästinenser.
Laut „New York Times“ („NYT“), die sich unter anderem auch auf Aussagen von 16 israelischen Soldaten beruft, und der britischen "Times", die ebenfalls israelische Armeeangehörige befragt hat, hatte diese völkerrechtlich verbotene Praxis Methode. Offenbar wurden Gefangene systematisch und mit Wissen der Vorgesetzten an mehreren Stellen im Gazastreifen vorgeschickt , um mögliche Sprengfallen zu „entschärfen“ oder Hinterhalte der Hamas zu „entdecken“.
Einer, der ebenfalls einem solchen Todeskommando ausgesetzt war, war laut „NYT“ der damals 17-jährige Mohammed Shubeir. Er sei in seiner Heimatstadt Khan Yunis im Süden des Gazastreifens in einen völlig zerbombten Bereich beordert worden – um etwaige Explosivkörper auszulösen, andere seien in potenziell verminte Tunnels geschickt worden.
In diesem Zusammenhang wird ein israelischer Soldat mit folgenden Worten zitiert: „Wenn der Tunnel explodiert, wird wenigsten nur er sterben und niemand von uns.“
Die Vorgangsweise Israels widerspricht nicht nur internationalem, sondern auch nationalem Recht. Denn nachdem im besetzten Westjordanland in den frühen 2000er-Jahren ähnliche Methoden angewandt worden waren, urteilte das israelische Höchstgericht, dass niemand „in ein Gebiet gebracht werden darf, selbst wenn er zustimmt, in dem Militäroperationen stattfinden“.
Mit den Vorwürfen konfrontiert, ließ das israelische Militär bloß trocken wissen, dass „es strikt verboten ist, gefangengenommene Zivilisten aus Gaza für militärische Operationen einzusetzen“.
Die detaillierten Recherchen der beiden renommierten Medienhäuser kommen aber zu einem anderen Schluss. Auch Jehad Siam, 31, wurde laut eigenen Angaben als menschliches Schutzschild missbraucht.
Er habe mit anderen palästinensischen Zivilisten vor einer Gruppe israelischer Soldaten zu einem mutmaßlichen Versteck von Hamas-Kämpfern gehen müssen, „damit die Armeeangehörigen vor Schüssen sicher sind“. Als das Gebäude erreicht worden sei, hätten es die Uniformierten gestürmt und die Kämpfer erschossen. Dann seien er und die anderen freigelassen worden.
Freigelassen wurde auch Mohammed Shubeir nach zehn Tagen – aber auf welche Art: Er wurde in eine israelische Uniform gesteckt und musste so durch die Straßen marschieren. Das Kalkül der israelischen Einheit: Schössen Hamas-Kämpfer auf ihn, würden sie ihre Stellungen verraten. „Ich überlegte, zu fliehen, entschied mich aber anders, weil ständig war eine Drohne über mir. Sie hätten mich sicher erschossen.“ Der junge Mann überlebte wie durch ein Wunder.
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