„Wir stehen vor einem totalen Krieg“
Auch wenn die Hisbollah umgehend jede Beteiligung zurückwies, schwor Israel Vergeltung. Kurz zuvor hatten schließlich die israelischen Streitkräfte vier Kommandeure der Hisbollah mittels Luftschlägen getötet, die Rakete auf die Golanhöhen wird als Antwort der Islamisten gewertet. „Die Hisbollah wird einen hohen Preis dafür bezahlen, einen Preis, den sie bislang noch nicht bezahlt hat“, drohte Netanjahu. Und Außenminister Israel Katz legte nach: „Es besteht kein Zweifel, dass die Hisbollah alle roten Linien überschritten hat. Wir stehen vor einem totalen Krieg.“
Die US-Regierung hält jedenfalls die libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah für den tödlichen Raketenangriff auf den Golanhöhen verantwortlich. "Dieser Angriff wurde von der libanesischen Hisbollah verübt. Es war eine Rakete der Hisbollah, die aus einem von ihr kontrollierten Gebiet abgefeuert wurde", teilte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der USA, Adrienne Watson, mit. Der Angriff müsse überall verurteilt werden.
Damit steigt im Westen die Angst vor einem Zwei-Fronten-Krieg – und einem darauffolgenden Flächenbrand, der sich auf die ganze Region ausweiten könnte. Seit der Attacke der Hamas im Oktober beschießt die Hisbollah den Norden Israels beinahe täglich, die meisten Gebiete im israelischen Norden sind entvölkert, viele Gemeinden evakuiert. In einen großen Krieg hat Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah seine Kämpfer bisher aber noch nicht ziehen lassen. Das letzte Wort darüber fällt nämlich im Iran – und dort will man die Verbündeten offenbar (noch) nicht verheizen; man braucht sie als Dauer-Abschreckung gegenüber dem „Todfeind“ Israel, so die Vermutung, um Israel von einem Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen abzuhalten.
Der Druck ist groß, von innen und von außen
Doch die Massivität dieses Angriffs war neu. Die Opfer sind alle Drusen, also Muslime, sie gelten aber als loyal dem israelischen Staat gegenüber und leisten auch Wehrdienst. Selbst wenn die Rakete ein Fehlschuss war, wie manche Experten vermuten: Dass Israel darauf antwortet wie in den vergangenen Monaten, also mit begrenztem Beschuss, ist nicht denkbar. Dafür steht Netanjahu unter viel zu großem Druck.
Was kann also passieren? Dass der Premier umgehend eine zwei Front eröffnet, mit einer Bodenoffensive wie im Libanonkrieg 2006, erwartet selbst in Israel niemand; dafür fehlt ihm die Rückendeckung aus den USA. Sowohl Präsident Joe Biden als auch seine Vize Kamala Harris fordern von ihm, dass er den Einsatz im Gazastreifen beendet. Und selbst Donald Trump, bis 2020 einer der größten Unterstützer Netanjahus, will ein Ende des Gazakriegs.
Dazu kommt, dass Israels Militär eben dort gebunden und das Land kriegsmüde ist. Ein offener Krieg mit der Hisbollah wäre auch ein anderes Kaliber – die Schiitenmiliz ist bestens ausgerüstet, kriegserfahren und hat Hunderttausende Raketen in den Arsenalen. Noch in der Nacht auf Sonntag flogen Kampfjets Einsätze; Beobachter vermuten daher, dass Israel nun Ziele tiefer im Libanon attackieren könnte – oder ein begrenztes Bodenmanöver wagen könnte. Zeigen werden das die nächsten Tage.
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