Israel: Gotteshaus wurde zum Schlachthaus

Israelische Sicherheitskräfte töteten die zwei palästinensischen Angreifer. Diese hatten eine Synagoge in Jerusalem gestürmt und vier Betende ermordet, acht weitere wurden teils lebensgefährlich verletzt.
Zwei radikale Palästinenser töteten in Synagoge mit Pistole und Hackbeil mindestens fünf Betende.

Niemand hielt die Mörder auf. Wie immer stand der Eingang zur Synagoge im Har-Nof-Viertel Jerusalems auch gestern offen. Erst als der erste Schuss fiel, begriffen die Betenden: Ihr Gotteshaus wurde zum Schlachthaus. Wer aufsprang, wurde niedergestreckt. Ein Komplize hackte mit einem Beil auf die ein, die in Bankreihen Schutz suchten. Bilanz: Fünf Tote, sieben teils lebensgefährlich Verletzte. „Ich war schon an vielen Tatorten. Aber bärtige Juden im Gebetsmantel in einer Blutlache, das waren Bilder wie aus vergangenen Zeiten“, so ein Sanitäter. Die Angreifer wurden von israelischen Sicherheitskräften erschossen.

Der neueste Höhepunkt der seit Monaten andauernden Gewalt in Jerusalem folgte einer Ruhephase in den Tagen zuvor. Ein Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen israelischer, palästinensischer und jordanischer Sicherheitskräfte, die während des Besuches von US-Außenminister John Kerry in Amman zwischen allen Beteiligten vereinbart worden war. Aber wann immer die Spannung etwas abflaut, sorgen Einzeltäter wie Amok-Raser oder Messer-Attentäter für neue Gewalt.

In Israel reden einige von "Sponti-Intifada" oder "Autoraser-Intifada". Polizei und Geheimdienst ziehen den Begriff "Straßenterror" vor.

Israel: Gotteshaus wurde zum Schlachthaus
epa04494008 Emergency personnel remove a body from the scene of an attack at a synagogue in a religious area of Jerusalem, 18 November 2014. Initial reports say at least two Palestinian men from East Jerusalem entered the synagogue with weapons and attacked worshippers, killing five Israelis and injuring some 10 others. EPA/ABIR SULTAN
Was sich da auch immer wieder an Gewalt entlädt, Israels Premier Benjamin Netanyahu glaubt den Urheber zu kennen: "Immer wieder stachelt Mahmud Abbas die Täter zum Terror an, was aber von der Weltmeinung ignoriert wird." Den palästinensischen Präsidenten beschuldigt auch Jizchak Aharonwitsch, Israels Minister für Innere Sicherheit: "Abbas verurteilt die Gewalt mit einem augenzwinkernden Weitermachen an die Terroristen." Dem widerspricht Israels Geheimdienstchef Joram Cohen: "Abbas ermuntert nicht zum Terror. Auch nicht unterm Ladentisch."

Tatsächlich verurteilte Abbas die Terroranschläge der letzten Monate nicht. Am Dienstag aber schon: "Wir haben immer die Tötung von Zivilisten auf beiden Seiten verurteilt und verurteilen auch heute die Tötung Betender in einem Gebetshaus."

Was Freudenausbrüche samt Verteilung von Süßigkeiten unter den Palästinensern in den Straßen Bethlehems und Ost-Jerusalems nicht verhinderte. Auf der offiziellen Facebook-Webseite der Fatah-Partei von Abbas erklärte sein Ex-Geheimdienstchef Taufik Tirawi: "Der Anschlag ist nur eine natürliche Folge der jüngsten Verbrechen der Besatzung und der Siedler." Unverblümte Aufrufe zu weiteren Anschlägen kommen von den militanten Islamisten der Hamas aus dem Gazastreifen.

In palästinensischen Netzwerken, ein guter Index für die öffentliche Meinung, häufen sich aber kritische Stimmen gegen eine neue Intifada. Sie erschwere vor allem den Alltag der Palästinenser. So werden jetzt Eltern junger palästinensischer Steinewerfer gezielt zur Zahlung ausstehender Schulden aufgefordert.

Religionskrieg

Auch die Öffentlichkeit in Israel sucht Aus- und Umwege. Eine neue App ermöglicht es, über Handy die aktuellen Straßenunruhen abzufragen. Wie Verkehrsstaus.

So versucht sich die nicht gewalttätige Mehrheit auf beiden Seiten, zu arrangieren. Gewaltbereite Gruppen hingegen suchen immer neue Mittel, die Lage anzuheizen. Wobei sie verstärkt und gezielt mit religiösen Gefühlen spielen. Viele reden schon von einem Religionskrieg.

Eine Seite fordert "Gebetsfreiheit für Juden auf dem Tempelberg", meint aber den Wiederaufbau des Tempels. Die andere Seite spricht von der Verteidigung der Heiligen Stätten des Islam, meint aber letztlich die Verhinderung jüdischen Gebets in allen Synagogen. Ein Krieg der Heuchler, nicht der Frommen.

Intifada 1 Begann 1987 als "Krieg der Steine" im Flüchtlings- lager Dschabaliya. Schauplatz: Gazastreifen, Westjordanland, Ostjerusalem. "Intifada" heißt "sich erheben, abschütteln", nämlich die israelische Herrschaft über die Palästinenser-Ggebiete.

Intifada 2 begann im September 2000 nach dem Besuch des damaligen Oppositionsführers Ariel Scharon auf dem auch für Moslems heiligen Tempelberg.

Intifada 3 Befürchtung, dass Einzelaktionen palästinensischer Attentäter seit vergangenem Juni in neue Intifada münden könnten.

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