Erster Geisel- und Gefangenenaustausch abgeschlossen

Erster Geisel- und Gefangenenaustausch abgeschlossen
Drei Frauen hat die Hamas an Israel übergeben, das Rote Kreuz begleitete den Austausch.

15 Monate waren sie in Gefangenschaft gewesen,  wo und wie weiß keiner. Am Sonntagnachmittag dann endlich die erlösende Nachricht: Romi Gonen, Emily Damari und Doron Steinbrecher sind in Israel, in den Händen des Roten Kreuzes. „In guter Verfassung“ seien die drei Frauen, hieß es; die Autos, in denen die Hamas sie an die Grenze fuhr, wurden aber zuletzt von einer schreienden Menschenmenge belagert.

Die Terroristen hatten die Frauen am 7. Oktober 2023 verschleppt. Gonen wurde vom Nova-Musikfestival nahe der Grenze entführt; der Vater der 24-Jährigen sagte, die Familie habe mehr als 11.000 Stunden auf diesen Moment gewartet. Die beiden anderen Frauen wurden aus ihren Häusern im Kibbuz Kfar Aza entführt.

Nächster Austausch am Samstag

Im Gegenzug entließ Israel die ersten 90 Palästinenser aus der Haft. "90 Terroristen" seien aus dem Militärgefängnis Ofer im Westjordanland und einer Haftanstalt in Jerusalem freigelassen worden, hieß es in einer Erklärung der Gefängnisbehörde.

Sollte die Waffenruhe halten, hat die Hamas angekündigt, am kommenden Samstag die nächsten Geiseln- beziehungsweise Gefangenen austauschen zu wollen. Wer als nächstes freigelassen werden sollen und ob der österreichische Doppelstaatsbürger Tal Shahom darunter sein soll, ist noch unklar. 

Bis Tal Shoham freikommt, dürften noch ein paar Wochen vergehen, analysierte am Wochenende die "Kleine Zeitung". Dem Vernehmen nach machen bei den Freilassungen Frauen und Kinder den Anfang, dann folgen Ältere und Verletzte. Shoham dürfte demnach frühestens Mitte Februar wieder nach Israel zurückkehren.

Erster Geisel- und Gefangenenaustausch abgeschlossen

Per Hubschrauber nach Tel Aviv

Vom internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sollen sie einer Spezialeinheit der israelischen Armee übergeben werden. Von dort sollen die Frauen für eine erste Untersuchung zu einer Armeeeinrichtung nach Israel in Gaza-Grenznähe gebracht werden und dort ihre Mütter treffen. Per Hubschrauber sollen sie schließlich in eine Klinik bei Tel Aviv überführt werden und dort weitere Angehörige treffen. 

Laut Rotem Kreuz sind die drei Zivilistinnen in guter Verfassung. Israelischen Medien zufolge verlor Emily Damari während der Entführung durch die Hamas zwei Finger.

Auf einem Video der israelischen Streitkräfte sieht man, wie die Familien der Geiseln jubeln:

Die erste Stufe des Waffenstillstandsabkommens zwischen Israel und der militanten islamistischen Hamas-Miliz begann als Zitterpartie. Um fast drei Stunden verzögerte sich die für 8:30 Uhr angesetzte Waffenruhe. In dieser Zeit feuerte die Hamas wieder Raketen ab. Israels Armee griff weiter Hamas-Kämpfer an. In weiten Teilen ist das Abkommen ohnehin unklar formuliert, auch wurden nicht alle Paragrafen veröffentlicht. Alle reden von einem „Deal“, dabei ist es eigentlich ein mehrwöchiger Prozess. Dessen Umsetzung tagtäglich neu gefährdet ist.

Ursache der Verzögerung am Sonntag war die Unfähigkeit der Hamas, pünktlich eine Liste mit den Namen der 33 israelischen Geiseln vorzulegen. „Ein rein technisches Problem“, beteuerte am Sonntagmorgen Taher al-Nunu aus der Hamas-Führung.

Nicht alle Geiseln in Händen der Hamas

Nicht alle verbliebenen 98 Geiseln befinden sich in der Gewalt der Hamas, was das Procedere verkompliziert. Beim Massaker-Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 verschleppten auch andere Milizen und sogar Privatpersonen israelische Geiseln. Um die 40 sollen noch leben. Die anderen sollen getötet worden sein. Insgesamt wurden an diesem Tag 1200 Menschen von der Hamas ermordet.

Darum hat sich das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, das auch diesen Austausch begleitet, auch auf die DNA-Identifizierung von Leichen vorbereitet. Was den Austausch ebenfalls verzögern kann. Voraussetzung ist eine enge Zusammenarbeit mit der israelischen Seite. Infolge der Erfahrungen bei einem ersten Austausch im Dezember 2023 hat das IRK diesmal eigene Lazaretts zur Ersten Hilfe eingerichtet. Mit der Hamas wurde eine verbesserte Absicherung der Ausfahrtswege verabredet. Was Übergriffe von Demonstranten gegen den Geisel-Transport verhindern soll.

Erster Geisel- und Gefangenenaustausch abgeschlossen

"Temporäre Lösung"

Bis Anfang März sollen jeden Sonntag Dreiergruppen weiterer Geiseln mit Strafgefangenen ausgetauscht werden. Wobei jeder Tausch wieder durch technische Probleme oder gezielte Sabotage von Gegnern des Abkommens auf beiden Seiten gefährdet ist. Israels Premier Benjamin Netanjahu betonte noch am Wochenende, das Abkommen regele nur „einen temporären Waffenstillstand“. Israel habe auch die „volle US-Rückendeckung“ für eine Neuaufnahme der Kämpfe: „Wann immer Israel einen Bruch des Abkommens durch die Hamas feststellt.“  

Er bezog sich dabei auf Telefonate mit dem alten Präsidenten Joe Biden wie mit dem neuen Donald Trump. In öffentlichen Äußerungen bekräftigten aber beide in den letzten Wochen mehrmals, das Abkommen ziele auf „eine vollständige und langfristige Waffenruhe“ ab. Eigentlich hatte Netanjahu sich von Trump verstärkte Unterstützung erhofft. Stattdessen häufen sich jetzt Signale aus Washington, die ihn zu einem Kriegsende zwingen sollen. Trumps Nahostbeauftragter Steve Witkoff: „Wenn wir uns nicht anfreunden können, packen wir wieder die Koffer.“

Koalition wackelt

Netanjahu geriet aber mit Unterzeichnung des Abkommens unter inneren Druck. Sein radikalster Koalitionspartner gab bereits am Wochenende den Austritt aus der Regierung bekannt, Polizeiminister Itamar Ben-Gvir trat zurück. Eine zweite Partei will damit noch warten. „Werden die Kämpfe in Gaza bald wieder aufgenommen,“ so Finanzminister Bezalel Smotrich am Sonntag im Radiosender Kan, „können wir in der Koalition bleiben.“ Doch besteht für Netanjahu keine unmittelbare Sturzgefahr. Hat doch die Opposition angekündigt, zur Freilassung aller Geiseln den Premier im Parlament zu unterstützen.

Trotzdem bemüht sich Netanjahu derzeit, seine extremistischen Noch-Partner bei Laune zu halten. Vor allem durch Erleichterungen für die radikalen Siedler im Westjordanland. So sollen Israels Gesetze gegen den unkontrollierten Bau neuer Siedlungen gelockert werden. Extremistische Siedler, die wegen ständiger Angriffe auf palästinensische Nachbarn in Vorbeugehaft gesetzt wurden, werden begnadigt.

1. Liri Albag, 2. Itzhik Elgarat, 3. Karina Ariev, 4. Ohad Ben-Ami, 5. Ariel Bibas, 6. Yarden Bibas, 7. Kfir Bibas, 8. Shiri Silberman Bibas, 9. Agam Berger, 10. Romi Gonen, 11. Danielle Gilboa, 12. Emily Damari, 13. Sagui Dekel-Chen, 14. Yair Horn, 15. Omer Wenkert, 16. Alexander (Sasha) Troufanov, 17. Arbel Yehud, 18. Ohad Yahalomi, 19. Eliya Cohen, 20. Or Levy, 21. Naama Levy, 22. Oded Lifshitz, 23. Gadi Moshe Moses, 24. Avera Mengistu (2014 entführt), 25. Shlomo Mansur, 26. Keith Siegel, 27. Tsahi Idan, 28. Ofer Calderon, 29. Tal Shoham, 30. Doron Steinbrecher, 31. Omer Shem-Tov, 32. Hisham Al Sayed (2015 entführt), 33. Eli Sharabi

Alle Augen auf Trump

Eine aggressivere Siedlungspolitik und Fortführung des Krieges nach kurzer Waffenpause dürfte aber die neue Regierung in Washington verstimmen. Wird dadurch doch eine Ausweitung des Bündnisses der westlich orientierten arabischen Staaten behindert. Trumps erklärtes Ziel ist es, Saudi-Arabien und andere Golfstaaten mit ins Bündnis zu holen. Was infolge auch die aggressive Politik des Iran einschränken soll.

Netanjahu weiß: Er bestimmt nicht allein, wann das Geiselabkommen als gebrochen gelten kann. So willigte er bereits ein, dass eine private Sicherheitsfirma aus den USA die Kontrolle der in ihre zerstörten oder evakuierten Häuser zurückkehrenden Zivilbevölkerung im Gazastreifen übernehmen soll. Sie soll nur Bewaffnete am Durchgang hindern. Autos werden nach Waffen durchsucht. Fußgänger werden durchgewunken.

Eine kurze Waffenpause sieht anders aus.

Freikommende Palästinenser nicht an Hamas-Massaker 2023 beteiligt

Bei den Palästinensern handelt es sich nach israelischen Regierungsangaben um 1.167 festgenommene Bewohner des Gazastreifens, die nicht an dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel beteiligt waren. Dies dürfte vor allem Hamas-Kämpfer betreffen, die während der vergangenen mehr als 15-monatigen Kämpfe gefangen genommen wurden. Die anderen 737 freizulassenden Palästinenser sind Häftlinge, die etwa wegen leichterer Delikte wie Steinwürfe im Westjordanland oder illegalem Grenzübertritt sowie auch illegalen Waffenbesitzes oder anderer Gesetzesverstöße inhaftiert oder verurteilt wurden. Darunter sind aber auch Häftlinge, die wegen schwerer Straftaten wie etwa Mord einsitzen.

Der Gaza-Krieg war nach dem Überfall der Hamas und anderer terroristischer Gruppen auf Israel im Oktober 2023 mit rund 1.200 Toten ausgebrochen. Große Teile des von den Palästinensern bewohnten Gazastreifens liegen in Schutt und Asche. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen mehr als 46.900 Menschen ums Leben. Wie viele davon Zivilisten und wie viele Kämpfer sind, sagt sie nicht.

Die humanitäre Lage war in Gaza schon vor Kriegsbeginn im Oktober 2023 schlecht und hat sich durch Israels massive Bombardierungen dramatisch verschärft. Mehr als 90 Prozent der gut zwei Millionen Einwohner des Gazastreifens leiden nach UN-Angaben starken Hunger. Es fehlt demnach zudem an Trinkwasser, Notunterkünften und Arzneimitteln.

Sicherheitsbedenken und aufwendige Kontrollen

Das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen UNRWA bereitete nach eigenen Angaben 4.000 Lastwagenlieferungen an Hilfsgütern für den Gazastreifen vor. Die Hälfte davon seien mit Lebensmitteln und Mehl beladen. Die Unterstützung der Zivilbevölkerung in dem abgeriegelten Küstenstreifen mit lebenswichtigen Gütern gestaltete sich zuletzt schwierig. Neben Sicherheitsbedenken Israels und aufwendigen Überprüfungen der Ladung waren vor allem Plünderungen durch Bewaffnete im Gazastreifen ein großes Problem.

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