Israel: Netanjahu ist Wahlsieger - und steht vor der nächsten Probe

Netanjahu war am Sonntag um Beruhigung bemüht, doch Israel ist ein gespaltenes Land.
Der Ministerpräsident hat vorerst noch keine Mehrheit im Parlament. Ihm stehen harte Koalitionsgespräche und Gerichtstermine bevor.

Israels dritte Wahlen in nur zehn Monaten am Montag waren entscheidend. Doch Israel bleibt gespalten. Trotz des steilen Anstiegs der Stimmen für Premier Benjamin (Bibi) Netanjahu erreichte er nicht die angestrebte absolute Mehrheit von 61 der 120 Sitze im Parlament. Trotzdem sollte sein dritter Versuch, eine Regierung zu bilden, mangels linker Alternative damit kein Problem sein.

Alles ist möglich: Minderheitsregierung, knappe rechte Mehrheit mit Überläufern, Große Koalition. Eine Mehrheit für Netanjahus zweites, ihm wichtigeres Ziel bleibt aber fraglich: ein neues Gesetz zur parlamentarischen Immunität oder eine absolute Mehrheit der neuen Knesset-Abgeordneten, die ihm Immunität zusprechen könnten.

Gerichtsurteil naht

Wäre das überhaupt legal und möglich? Israels Wahlgesetz, das einen Premier unter Anklage nicht voraussah, ist da in mehrfacher Hinsicht unklar. So erlaubte das Oberste Gericht einem amtierenden Premier, auch unter Anklage weiter zu regieren. Jetzt aber ist Netanjahu nur Chef einer Übergangsregierung. Tritt er zur Wahl des neuen Premiers vor das Parlament, ist er nur Abgeordneter. Die aber können nicht unter Anklage im Amt bleiben. Wobei der Angeklagte Netanjahu in zwei Wochen vor seine Richter treten soll – wegen Korruption, Betrug und Veruntreuung.

Im Siegestaumel der Wahlnacht ließen seine Anhänger auch vor Mikrofonen keine Zweifel: „Keinen Prozess. Notfalls stürmen wir das Gericht.“ Netanjahu war offensichtlich um eine versöhnliche Atmosphäre bemüht.

Doch nach zehn Jahren offener Hetze gegen jeden, der nicht „für Bibi“ war, ließen sich die Geister nicht so schnell bändigen. Sprechchöre bedrohten offen den israelischen Generalstaatsanwalt: „Mandelblit raus.“

Während Netanjahu auch eine Große Koalition nicht ausschloss, skandierten Bibi-Fans: „Kei-ne-Ein-heit!“ Auch in Netanjahus Likud gibt es zwar Stimmen gegen „einen parlamentarischen Freispruch durch Immunität“. In der Wahlnacht waren sie aber nicht zu hören. Das Oberste Gericht hält sich mit seinen neuen Richtern, unter Netanjahu ernannt, verstärkt aus politischen Querelen heraus.

Israel: Netanjahu ist Wahlsieger - und steht vor der nächsten Probe

Blau-Weiß von Netanjahus Gegenspieler Benny Gantz steht jetzt als größte Oppositionspartei vor einer Zerreißprobe: Der Likud hat schon begonnen, rechte Stimmen in der Fraktion zu umwerben. Abgeordnete sollen angeblich sogar mit der Veröffentlichung „peinlicher Informationen“ erpresst worden sein.

Israels Wahlgesetz verbietet zwar parlamentarische Überläufer in politische Ämtern. Doch der Honigtopf der Regierung bietet mehr Süßes. In der Partei häufen sich bereits die Rufe nach einem Rücktritt von Gantz.

Die große Überraschung

Das Wahlergebnis bringt vor allem eine Überraschung: die äußerst hohe Wahlbeteiligung der arabischen Wähler. An Wahlen für Israels Parlament hatten sie früher wenig Interesse gezeigt. Nun gaben sie ihre Antwort auf zehn Monate offen rassistischer Hetze aus dem Likud gegen die arabische Minderheit. Auch auf den neuen US-Friedensplan, der manche arabische Ortschaften Israels in ein künftiges Palästina auslagern will. Und auch auf das neue Nationalitätsgesetz, das nur Juden als Bürger erwähnt. Die arabische Vereinte Liste wurde drittstärkste Kraft.

Netanjahu und seine Hetze haben Israel gespalten – in Linke und Rechte, westlich und orientalisch geprägte Juden, in Säkulare und Fromme. „Er zerstört Israels Wir-Gefühl“, schreibt die Zeitung Haaretz. Am Wahltag war ein israelisches Wir fühlbar – bei den arabischen Wählern.

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