Mit dem Bruder in den "Heiligen Krieg"

Wenn Brüder gemeinsam in den Terror-Untergrund gehen. Nicht nur bei den Anschlägen von Paris spielt ein Geschwisterpaar eine Hauptrolle.

Gemeinsam hatten sie getrunken, Joints geraucht und Mädchen abgeschleppt. Gemeinsam aber zogen sie auch vor zehn Tagen in Paris in den Heiligen Krieg. Die Brüder Brahim (31) und Saleh (26) Abdeslam waren seit jeher unzertrennlich: Als jugendliche Rebellen im berüchtigten Brüsseler Migrantenviertel Molenbeek, als Kleinkriminelle, die sich mit Einbrüchen, Drogenhandel und Hehlerei über Wasser hielten – und zuletzt als Terroristen im Auftrag des IS.

Kein Einzelfall: Den Weg in den Terrorismus beschreiten Brüderpaare immer wieder gemeinsam. Die Nähe, Vertrautheit und hundertprozentige Verlässlichkeit des jeweils anderen bietet den perfekten Rückhalt für die "Gotteskrieger" – auch und vor allem, wenn die Eltern rat- und verständnislos vor der Radikalisierung ihrer Kinder stehen.

Bruder als Vorbild

Schon im Jänner dieses Jahres hatte ein Brüderpaar ein Blutbad in Paris angerichtet. Said Kouachi (34) und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Cherif stürmten in die Redaktionsräume der Satirezeitschrift Charlie Hebdo und richteten dort ein Blutbad an. Zwei Tage später starben sie im Kugelhagel der Polizei. Auch sie waren gemeinsam radikalisiert worden, wobei Said als der Ältere immer einen Schritt voraus war. Er war derjenige, der es nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen tatsächlich in ein Ausbildungslager der El Kaida im Jemen schaffte. Cherif dagegen wurde im Gefängnis von einem radikalen Mithäftling endgültig auf die Einbahnstraße in Richtung Terror und zuletzt gewaltsamem Tod gebracht.

Noch deutlicher wird diese Rolle des älteren Bruders im Verhältnis der beiden Boston-Bomber Tamerlan und Dschochar Zarnajew. Tamerlan war schon 2010, also drei Jahre vor dem Anschlag auf den Boston-Marathon, radikalisiert worden. Der Sohn tschetschenischer Flüchtlinge reiste 2012 in die alte Heimat seiner Eltern, wurde dort von islamistischen Kämpfern unterrichtet. Sein kleiner Bruder Dschochar driftete erst nach Tamerlans Heimkehr endgültig in die militante, islamistische Welt seines Bruders ab. Tamerlan wurde Tage nach dem Anschlag von der Polizei erschossen, sein kleiner Bruder aber überlebte und wurde im Mai 2015 zum Tode verurteilt. "Die Verwandtschaft", so urteilt ein Politologe gegenüber dem Guardian über die Netzwerke von Terroristen, "ist das, was wirklich zählt, viel mehr als Religion."

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