Nobelpreisträgerin bewusstlos geschlagen: Iran erhöht Druck auf Aktivisten
Von Florian Mühleder
Der Iran erhöht den Druck auf Aktivisten für Frauenrechte. Die iranische Menschenrechtsorganisation Zentrum für Menschenrechte im Iran (CHRI) schlägt Alarm: Weibliche politische Gefangene und Protestierende könnten unter falschen Vorwänden vom Regime zum Tode verurteilt werden.
Im Monat nach der Wahl von Masoud Pesechkian zum neuen Präsidenten des Landes, am 6. Juli, verzeichnet der Iran 87 Hinrichtungen. Vergangenes Jahr wurden laut Amnesty International im Iran 853 Menschen zu Tode verurteilt, der höchste Wert seit 2015.
Protest im Gefängnishof brutal niedergeschlagen
Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi wurde im Teheraner Evin-Gefängnis vor drei Wochen von Gefängniswärtern bewusstlos geprügelt. Die seit 2021 verurteilte Mohammadi verbrachte bereits 32 ihrer 52 Lebensjahre in Haft. Aktuell verbüßt sie eine zehnjährige Haftstrafe. Ihr wird vom iranischen Regime aufgrund ihres Engagements für Frauenrechte die Gefährdung der Sicherheit vorgeworfen. Vergangenes Jahr wurde sie in Oslo für den Einsatz für Menschenrechte und Freiheit mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Mohammadi protestierte mit anderen inhaftierten Frauenrechtsaktivistinnen am 6. August gegen die Welle an Exekutionen. Daraufhin stürmten die Wärter den Gefängnishof und schlugen die Protestierenden brutal zusammen. Etwa 70 Frauen befinden sich aktuell als politische Gefangene im Evin-Gefängnis in Irans Hauptstadt Teheran.
Die Friedensnobelpreisträgerin und neun weitere Frauen brachen bewusstlos zusammen, fünf, darunter auch Mohammadi, wurden schwerer verletzt. Die Friedensnobelpreisträgerin soll laut ihres Ehemanns Taghi Rahmani Schläge auf die Brust bekommen haben, wodurch sie schwere Atemprobleme bekam.
Die Frauen skandierten Sprechchöre gegen die Exekution des Frauenrechtsaktivisten Reza Rasaei. Ihm wurde vom iranischen Regime die Tötung einer Sicherheitskraft vorgeworfen. Ein „Scheinprozess“, so Rasaei, der die Vorwürfe dementierte. Der 34-Jährige wurde am 6. August hingerichtet.
"Alle Gefangenen haben das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedlichen Protest. Sie dürfen dafür nicht brutal geschlagen werden", sagte Mohammadis Ehemann Rahmani, gegenüber DW.
Im Zuge des zweiten Todestages der Aktivistin Mahsa Amini in Gewahrsam iranischer Behörden im September und der aktuellen Welle der Hinrichtungen befürchtet das CHRI, dass einige politische Gefangenen gefährdet seien. Durch Scheinbegründungen könnten sie zum Tode verurteilt werden.
Die 22-jährige Amini wurde im September 2022 wegen angeblicher Verletzungen der strikten iranischen Kleiderordnung festgenommen. Ihr Tod löste im Iran eine landesweite Protestwelle aus.
Die Journalistin Pakhshan Aziz und die Wirtschaftsingenieurin Sharifeh Mohammadi wurden vergangenes Monat zum Tode verurteilt. Zwei weitere wurden angeklagt. Ob es zur Hinrichtung kommt, ist noch nicht bekannt.
Im britischen Guardian sagte Hadi Ghaemi, der Geschäftsführer des CHRI: „Angesichts einer Frauenbewegung im Iran, die sich weigert, nachzugeben, versuchen die Behörden der Islamischen Republik nun, diesen Frauen mit dem Galgen zu drohen. Dies ist ein verzweifelter Versuch, abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen."
Fast drei Viertel aller weltweiten Hinrichtungen im Iran
Am 7. August dieses Jahres wurden im Iran alleine an einem Tag 29 Menschen hingerichtet. Bei den zum Tode verurteilten handelt es sich vor allem um Gewaltverbrecher und Drogenhändler. Die NGO Amnesty International spricht von einer "aktuellen Hinrichtungswelle". 74 % aller weltweit registrierten Hinrichtungen wurden 2023 laut Human Rights Watch im Iran durchgeführt.
Unter dem neuen Präsidenten Pesechkian, der eigentlich eher als moderat gilt, bestand die Hoffnung, dass es zu einer Abkehr von der Hinrichtungspolitik kommen könnte. Pesechkian konnte sich im Juli im Kampf um die Präsidentschaft in einer Stichwahl gegen Hardliner Saeed Jalili durchsetzen. Der ultrakonservative Ex-Präsident Raisi starb vergangenen Mai bei einem Hubschrauberunfall.
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