Iran: Angst vor der „Spirale der Gewalt“

Millionen bei den Beisetzungsfeierlichkeiten für den getöteten Kommandanten Soleimani
Nach Rakete auf iranischen Militär: Racheschwüre bei Beisetzungsfeierlichkeiten im Iran, Vergeltungsdrohungen aus den USA.

Die über Video-Walls übertragenen Bilder hatten – wohl beabsichtigte – Symbolkraft. Sie befeuerten Trauer, Zorn und Wut von Millionen Iranern auf den Straßen noch einmal: Dem geistlichen und staatlichen Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei versagte am Sarg des bei einem US-Raketenangriff getöteten iranischen Generals Qassem Soleimani die Stimme, über die Wangen des alten Mannes rollten, wie in Aufnahmen des Staatsfernsehens zu sehen war, Tränen.

Die Trauerzeremonie für den in der Nacht auf Freitag am Flughafen von Bagdad (Irak) getöteten Generals begann am frühen Montagmorgen mit einem Leichengebet in der Universität Teheran. Die Zeremonie wurde auf fast allen TV-Kanälen des Iran live übertragen.

Iran: Angst vor der „Spirale der Gewalt“

Tränen beim geistlichen Führer Ayatollah Khamenei (li.)

„Tod Amerika“

Danach wurde Soleimanis Leiche zum Azadi-Platz im Westen Teherans transportiert, flankiert von Hundert- und Aberhunderttausenden Menschen, die Abschied vom Kommandanten der iranischen Quds-Einheit für Auslandseinsätze nehmen wollten und „Tod Amerika“ skandierten. Einen derartigen Massenaufmarsch hatte es im Iran zuletzt bei der Beisetzung des Revolutionsgründers Ayatollah Khomeini 1989 gegeben. Soleimanis Beisetzung soll am Dienstag in seinem Geburtsort Kerman im Südostiran stattfinden.

Iran: Angst vor der „Spirale der Gewalt“

Hundert- und Aberhunderttausende auf den Straßen Teherans

Soleimani war für die Iraner ein Held, der den USA Paroli bot; für US-Präsident Donald Trump, der den Befehl zur Tötung gab, war er ein Teufel, der für Hunderte tote US-Soldaten im Irak verantwortlich war.

Uran anreichern

Dementsprechend überschlugen sich die Ereignisse seit dem Tod Soleimanis: Teheran und Schiiten-Führer in anderen Staaten wie etwa dem Libanon drohten den USA mit Rache. Der Iran gab zudem bekannt, sich nun auch über die letzten Beschränkungen aus dem (von den USA einseitig gekündigten) Atomabkommen von 2015 hinwegzusetzen und Uran nach Belieben anzureichern (notwendig für den Bau der Atombombe). Das Parlament im Irak forderte die Regierung in Bagdad auf, alle ausländischen Truppen des Landes zu verweisen – die USA haben 5000 Soldaten an der Spitze einer Anti-IS-Allianz stationiert.

Donald Trump droht dem Iran im Falle von Vergeltungsschlägen seinerseits mit Vergeltung, etwa der Zerstörung von Kulturstätten im Iran. Der Iran foltere und töte Amerikaner, „und wir sollen ihre Kulturstätten nicht anrühren dürfen? So funktioniert das nicht.“ Dem Irak drohte er mit Sanktionen „wie nie zuvor“.

Iran: Angst vor der „Spirale der Gewalt“

Donald Trump mit Frau und Sohn  nach Rückkehr aus dem Florida-Urlaub. Der Präsident droht

Die Frontfrau der US-Demokraten, Nancy Pelosi, will Präsident Trump mit einer Abstimmung im Repräsentantenhaus über die Anwendung der „War Powers Resolution“ an einer Eskalation des Konflikts mit dem Iran hindern. Das Gesetz aus den 1970er Jahren legt u. a. Regeln dafür fest, wie Präsidenten das US-Militär einsetzen können, wenn keine Kriegserklärung des US-Kongresses vorliegt.

Konkretes Ziel sei es, militärische Aktionen der US-Regierung gegen den Iran auf 30 Tage zu begrenzen, schrieb Pelosi in einem Brief an die Abgeordneten, in dem sie den Luftschlag gegen Soleimani „provokant und unverhältnismäßig“ nannte. Pelosis Vorhaben wird vermutlich im von den Republikanern dominierten US-Senat scheitern. Es handle sich dennoch um eine „symbolische Rüge“, schrieb die Washington Times.

Zurückhaltung

Deutschland, Großbritannien und Frankreich forderten alle Seiten zu „äußerster Zurückhaltung“ auf. „Die aktuelle Spirale der Gewalt in Irak muss beendet werden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Präsident Emmanuel Macron und Premierminister Boris Johnson. Merkel reist am Samstag zu einem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Moskau. Als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat sei Russland „unverzichtbar“, wenn es um die Lösung politischer Konflikte gehe, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Angesichts der wachsenden Spannung setzte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg für Montag kurzfristig eine „dringende“ Sitzung des Nordatlantikrats auf Botschafterebene an. Das US-geführte Militärbündnis erklärte, die Truppen würden sich auf den Schutz ihrer Stützpunkte konzentrieren. Die Unterstützung der Partner im Kampf gegen den IS werde bis auf Weiteres ausgesetzt.

Israels Premier Benjamin Netanjahu lobte indes seinen Bündnispartner Donald Trump für dessen „entschlossenes, starkes und schnelles Vorgehen“ gegen Israels Erzfeind Iran und Kommandanten Soleimani.

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