Iraks Parlament stimmt für Abzug aller US-Truppen

Der Hass auf die USA wird immer größer
Die Koalitionstruppen im Irak setzen ihre Einsätze gegen die Terrormiliz IS aus. Mindestens zwei Raketen schlugen am Sonntagabend in Bagdad ein.

Das Parlament im Irak hat überraschend für einen Abzug der rund 5000 im Land stationierten US-Soldaten gestimmt. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Sonntag für eine entsprechende Resolution. Diese fordert die Regierung dazu auf, den Abzug aller ausländischen Truppen im Land einzuleiten, die Teil des US-geführten Bündnisses zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sind.

Zuvor hatte der Regierungschef in Bagdad auf einen Abzug amerikanischer und anderer ausländischer Truppen gedrängt. Ministerpräsident Adel Abdul Mahdi empfahl dem Parlament am Sonntag Sofortmaßnahmen, die zur Beendigung der Anwesenheit internationaler Truppen im Irak führen.

Mahdi sagte in einer Sondersitzung des Parlaments in Bagdad, dies sei "grundsätzlich und aus praktischen Erwägungen" heraus das Beste für den Irak. Und dies trotz aller Schwierigkeiten, die ein solcher Schritt mit sich bringen würde. In den Jahren 2011 bis 2014 seien auch keine ausländischen Kampftruppen im Land gewesen. Dies habe den Beziehungen zu den USA jedoch nicht geschadet, sagte Mahdi.

Trump drohnt Iran mit Angriff auf 52 Ziele

Die USA und der Iran verstärkten unterdessen ihre gegenseitigen Drohungen nach der gezielten Tötung des einflussreichen iranischen Generals Qassem Soleimani durch das US-Militär. Die Regierung in Teheran bezeichnete US-Präsident Donald Trump am Sonntag als "Terrorist in Nadelstreifen". Trump hatte dem Iran mit Gegenangriffen gedroht und erklärt, die USA hätten 52 Ziele im Iran im Visier. Er reagierte auf Drohungen der iranischen Revolutionsgarden, wonach 35 US-Ziele in der Region und in der israelischen Stadt Tel Aviv in Reichweite des Iran lägen.

Die von den USA angeführte internationale Militärkoalition im Irak setzte angesichts der jüngsten Spannungen die Unterstützung des Kampfes gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aus. Das erklärte das Militärbündnis am Sonntag. Auch die Ausbildung der Partner pausiert wegen der wiederholten Raketenangriffe auf die Stützpunkte der Truppen im Irak. Man werde die Iraker weiter unterstützen und sei bereit, sich zu einem späteren Zeitpunkt wieder ganz dem Kampf gegen den IS zu widmen, hieß es.

"Unsere oberste Priorität ist es, das Personal des Bündnisses zu schützen, dass sich dem Sieg über dem Islamischen Staat widmet", hieß es. Die Mission konzentriere sich nun auf den Schutz der Stützpunkte, auf denen Koalitionstruppen untergebracht seien. Bereits am Samstag war die Aussetzung der Ausbildung von irakischen Sicherheitskräften bekanntgegeben worden.

Seit Ende des Jahres hatte es nach US-Angaben rund ein Dutzende Raketenangriffe einer vom Iran unterstützten schiitischen Miliz auf die Stützpunkte gegeben. Bei einem Angriff Ende Dezember kam ein US-Bürger ums Leben. Nach dem US-Luftangriff auf den iranischen General Soleimani in Bagdad in der Nacht zum Freitag hat Teheran Rache geschworen. Experten befürchten, dass die rund 5000 US-Truppen im Irak zum Ziel von Vergeltungsschlägen werden könnten.

Zwei Raketenangriffe am Sonntagabend in Bagdad

Am Sonntagabend sind mindestens zwei Raketen nach Angaben von Augenzeugen nahe der US-Botschaft in der hochgesicherten Grünen Zone in Bagdad eingeschlagen. Die Angriffe erfolgten mehrere Stunden nach Ablauf eines Ultimatums einer pro-iranischen Gruppe, wonach sich irakische Soldaten von US-Truppen entfernen sollten. Angriffe waren damit befürchtet worden.

US-Außenminister Mike Pompeo warnte den Iran davor, Gefolgsleute in der Region für eine Vergeltung an den USA einzuspannen. Zusammen mit Soleimani war auch der Chef der schiitischen Miliz Kataib Hisbollah, Abu Mahdi al-Muhandis, getötet worden. Die Botschaft an die Adresse Teherans laute, dass der Iran nicht "Stellvertreterkräfte" einsetzen könne und zugleich darauf hoffen dürfe, dass sein eigenes Territorium verschont bliebe. "Wir werden gegen die eigentlichen Entscheidungsträger vorgehen - jene Leute, von denen die Bedrohung durch die Islamische Republik ausgeht", sagte der US-Außenminister dem Fernsehsender ABC. Er habe keinen Zweifel, dass die Führung in Teheran die Botschaft von US-Präsident Trump verstanden habe. Durch den Tod Soleimanis sei die Welt sicherer geworden.

Die gezielte Tötung des iranischen Generals Soleimani ist nach den Worten des Chefs der libanesischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, nicht nur eine Angelegenheit des Iran. Sie sei vielmehr Sache der gesamten "Achse des Widerstandes". Ziel der Vergeltung sei die US-Präsenz in der Region, sagte Nasrallah und nannte Kriegsschiffe, Militärstützpunkte und "jeden US-Soldaten". Mit der sogenannten Achse des Widerstandes bezieht sich Nasrallah auf schiitische Milizen in der Region, also vom Libanon über den Irak bis hin zum Jemen.

Hunderttausende bei Trauerzügen für Soleimani

Hunderttausende Iraner haben nach örtlichen Mediengaben an zwei Trauerzügen für den bei einem US-Raketenangriff getöteten iranischen General Qassem Soleimani teilgenommen. Die Leiche Soleimanis wurde am Sonntag zunächst aus dem benachbarten Irak nach Ahvaz im Südwestiran transportiert. Eine zweite Trauerzeremonie fand in der Heiligen Stadt Mashhad im Nordostiran statt.

Luftbilder aus beiden Städten zeigten gewaltige Menschenmassen und kilometerlange Schlangen. Besonders vor und im Mausoleum des achten schiitischen Imams Reza in Mashhad soll der Andrang so groß gewesen sein, dass der Transport der Leiche in die Hauptstadt Teheran für die Organisatoren nicht mehr möglich war. Daher musste eine für Sonntagabend geplante dritte Trauerzeremonie in der Imam-Khomeini-Moschee in Teheran abgesagt werden, an der die gesamte iranische Führung teilnehmen sollte.

Am Montag ist am frühen Morgen das sogenannte Leichengebet in der Universität Teheran geplant. Danach wird der Leichnam von der Teheraner Universität zum Azadi-Platz im Westen der iranischen Hauptstadt transportiert. Entlang der fast drei Kilometer langen Strecke können sich dann die Menschen von getöteten Kommandanten der iranischen Quds-Einheit verabschieden.

Nach Teheran wird der Leichnam dann in die schiitische Hochburg Ghom gebracht. Auch dort wird es vor einem Mausoleum eine weitere Zeremonie geben. Die Beisetzung selbst findet am Dienstag in Soleimanis Geburtsort Kerman im Südostiran statt. Auch in Kerman hat die Regierung den Dienstag zum örtlichen Feiertag erklärt.

Deutschland setzt Tornado-Aufklärungsflüge fort

Die deutsche Bundeswehr setzt ihre Aufklärungsflüge im Irak derzeit fort. Aktuell gebe es keine Änderung am Einsatz der Tornados im Rahmen des internationalen Kampfes gegen die IS-Miliz, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Sonntag in Berlin. Die in Jordanien stationierten Bundeswehrsoldaten sind unter anderem für die Aufklärung aus der Luft, Luftbetankung sowie See-und Luftraumüberwachung zuständig.

Das deutsche Kontingent umfasst nach Angaben des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr von Samstag derzeit insgesamt 415 Soldaten, davon sind knapp 280 in Jordanien und fast 140 im Irak stationiert. Laut Mandat können bis zu 700 Soldaten entsendet werden.

Schiiten-Führer will Widerstand gegen USA

Die Parlamentsresolution zum Abzug der US-Truppen aus dem Irak geht dem populistischen Schiiten-Geistlichen Moktada al-Sadr nicht weit genug. Der Chef der größten Gruppe im Parlament ist hingegen für die Bildung von "Heerscharen internationalen Widerstands". Zudem forderte er am Sonntag in einem Schreiben an das Parlament die Schließung der US-Botschaft in Bagdad.

Die US-Truppen müssten zudem in erniedrigender Weise des Landes verwiesen werden, erklärte Al-Sadr.

Außenministerium gibt Reisewarnung für Irak aus

Angesichts der angespannten Lage in der Region hat das Außenministerium in Wien eine Reisewarnung (Sicherheitsstufe 6) für den ganzen Irak ausgesprochen. Für den Iran gilt Sicherheitsstufe drei (hohes Risiko) in einigen Grenzgebieten, Sicherheitsstufe 2 (Erhöhtes Sicherheitsrisiko) für den Rest der Islamischen Republik.

Im Irak halten sich etwa 200 Österreicher, meist mit familiären Bindungen, vornehmlich im nordirakischen Kurdengebiet auf, teilte Außenamtssprecher Peter Guschelbauer der APA mit. Im Iran gebe es derzeit schätzungsweise 300 österreichische Staatsbürger, darunter nur ganz wenige Reisende.

Die Österreichische Botschaft in Bagdad ist aus Sicherheitsgründen geschlossen. Die konsularischen Aufgaben für den Amtsbereich Irak werden von der Botschaft in Amman wahrgenommen. Konsularische Hilfeleistung für in Not geratene Österreicher im Irak kann somit nicht gewährleistet werden, heißt es auf der Homepage des Ministeriums.

Bezüglich des Iran rät das Außenministerium von nicht unbedingt notwendigen Reisen in die Grenzregionen Sistan-Beluchistan, Kurdistan und Khuzestan grundsätzlich ab - aufgrund von Entführungsfällen, Selbstmordanschlägen und Bombenexplosionen. Gleiches gilt für die Provinz Hormozgan, insbesondere die Küstengebiete.

Im Rest des Landes besteht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko. Größere Menschenansammlungen mit Großaufgeboten von Sicherheitskräften und daraus resultierenden kritischen Situationen können nicht ausgeschlossen und sollten daher gemieden, Foto- und Filmaufnahmen auf jeden Fall unterlassen werden. Unterstützungsmöglichkeiten für Personen, die neben der österreichischen auch die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, sind in Haftfällen stark eingeschränkt.

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