Libanon: Geberkonferenz sammelt 200 Millionen, Angst vor Gewalt wächst
Der Präsident selbst war schon am Donnerstag in Beirut. Am Sonntag hat Emanuel Macron zwei Schiffe der französischen Marine mit Hilfsgütern für die libanesische Hauptstadt in Bewegung gesetzt, noch schneller soll eine kurzerhand eingerichtete Luftbrücke dringend benötigte Nahrungsmittel liefern. Schließlich hat die gigantische Explosion am Dienstag auch große Getreidelager in Beirut völlig zerstört.
Macron ist entschlossen, mit Frankreich – ehemals Kolonialmacht in dem Mittelmeerland – die Führungsrolle beim Wiederaufbau nach der Katastrophe zu übernehmen. Doch dabei, das hat er beim Besuch deutlich gemacht, soll es nicht nur um materiellen, sondern auch politischen Wiederaufbau gehen.
Bis Ende August verlangt der Franzose erste Schritte zu einer Neugestaltung der nicht nur seit Jahrzehnten gelähmten, sondern auch von Korruption und Machtmissbrauch zerfressenen politischen Strukturen.
Rücktritte und Wahlen
Die massiv unter Druck geratene Regierung in Beirut will heute, Montag, Neuwahlen ausrufen. Außerdem haben mit Informationsministerin Manal Abdel Samad und Umweltminister Damianos Katta erste Minister ihren Rücktritt eingereicht. Das Versagen der Bürokratie rund um die Hunderten Tonnen Ammoniumnitrat, die über Jahre unbeachtet im Hafen deponiert waren, war so eklatant, dass Köpfe rollen mussten.
Macron hat klar gemacht, dass man dem Land nur helfen könne, „wenn die Verantwortlichen im Libanon endlich wieder Verantwortung für ihr Land übernehmen.“
Um die internationale Hilfe rasch zu organisieren, hat der Präsident für Sonntag zur Geberkonferenz geladen. Auch US-Präsident Donald Trump sollte an der Videokonferenz teilnehmen, gemeinsam mit Vertretern aus 30 Ländern und zahlreicher internationaler Hilfsorganisationen. Deutschland hat 20 Millionen angekündigt, die EU hat ihre Hilfen auf 63 Millionen aufgestockt; insgesamt seien 200 Millionen Euro zusammengekommen, hieß es.
Eine rasche Verbesserung der Lage ist dringend notwendig. Das Land stand schon vor der Katastrophe vor dem wirtschaftlichen Kollaps und beherbergt zudem zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien.
Ausnahmezustand schon letztes Jahr
Schon im vergangenen Oktober hatten wochenlange blutige Proteste Beirut in den Ausnahmezustand versetzt. Vor allem die junge Generation will ihre aussichtslose soziale und wirtschaftliche Lage in dem einst als „Schweiz des Ostens“ bezeichneten Land nicht mehr akzeptieren.
Jetzt ist die Gewalt auf die Straßen zurückgekehrt. Für viele Libanesen scheint ein Punkt erreicht, an dem sie nichts mehr zu verlieren haben. Wirtschaftlich ist das kleine Land längst am Boden, der Libanon gehört zu den am stärksten verschuldeten Ländern weltweit, ist vom Staatsbankrott bedroht. Nach extremen Preissteigerungen für Lebensmittel bauen einige ihr Gemüse auf Dächern und Balkonen selbst an. Stromausfälle gehören zum Alltag. Nach der Detonation vom Dienstag sind bis zu 300 000 Menschen obdachlos – zwölf Prozent der 2,4 Millionen Einwohner. Viele Häuser sind zerstört oder beschädigt.
„Nachdem eine ganze Stadt dahingerafft wurde, haben wir vor nichts mehr Angst“, sagt eine Demonstrantin der BBC. „Unsere eigene Regierung hat uns getötet.“
Kommentare