Ingrid Betancourt - die berühmte Geisel trifft ihre Entführer
aus Bogota von Tobias Käufer
Sie war sechs Jahr lang die berühmteste Geisel der Welt – und trifft am Mittwoch ihre Entführer wieder. Für die ehemalige kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt ist das ein ganz schwerer Gang, für das krisengeschüttelte Land aber auch ein Zeichen der Hoffnung.
„Ich weiß nicht, wie ich reagieren werde, wenn ich die FARC wiedersehe“, sagt Ingrid Betancourt vor dem historischen Tag. Organisiert hat das Treffen Jesuiten-Pater Francisco de Roux, er ist Vorsitzender der Wahrheitskommission.
Ein Land in der Krise
Diese Begegnung soll – inmitten eines tief polarisierten Landes, das wieder einmal in Gewalt und Krise versinkt – ein Augenblick der Versöhnung und der Vergebung werden. Betancourt hat Angst vor diesem Moment, wenn die Erinnerungen an mehr als sechs Jahre Geiselhaft unter erbärmlichen, unwürdigen Bedingungen wieder hochkommen.
Sie tue dies aber, um eine Botschaft an Kolumbien zu senden, „dass wir uns selbst anders sehen können.„ Neben Betancourt werden auch weitere Geiseln der FARC dabei sein. Die Guerilla wird repräsentiert sein durch ihre führenden ehemaligen Kommandanten wie Rodrigo Londono, Pastor Alape, Carlos Antonio Lozada und Guillermo Perez Alzate. Heute sind sie in der politischen Nachfolgepartei der FARC tätig.
Er passt auch in die aktuelle politische Krise, in der sich die politischen Lager Kolumbiens wieder einmal unversöhnlich gegenüberstehen. Betancourt wird auch Bogotas Bürgermeisterin Claudia Lopez treffen, UN-Vertreter, Repräsentanten des Streikkomitees, der Jugendverbände, Parteien und der Zivilgesellschaft. Im Vorfeld des Treffens mit der FARC sprach Betancourt auch mit Kolumbiens Präsident Ivan Duque und rief ihn dazu auf, die aktuellen Sozialproteste im Land nicht zu stigmatisieren. „Für mich ist es eine der wichtigsten Dinge, die Sozialproteste und die Demonstranten zu respektieren.“ Die Proteste in Zusammenhang mit Vandalismus und Terrorismus zu bringen, sei nicht nur unfair, sondern nützte auch nichts, weil es die Möglichkeit verschließe, „die Probleme zu lösen, die wir lösen müssen“, sagte Betancourt.
Kolumbien wird seit Ende April von heftigen Protesten erschüttert, die sich an einer inzwischen zurückgenommen Steuerreform entzündeten. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch spricht von mindestens 20 Toten bei den Protesten.
In Falle gelockt
Entführt wurde Betancourt am 23. Februar 2002 bei einer Wahlkampfreise durch ein von der FARC kontrolliertes Gebiet in San Vicente del Caguan. Dabei geriet sie in eine Straßenblockade der Rebellen. Nur wenige Tage später starb ihr 83-jähriger Vater an einem Herzinfarkt.
Als sechs Jahre später die Nachricht von der gelungenen Befreiung Ingrid Betancourt bekannt wurde, feierten die Menschen in den Straßen. Dieser 2. Juli 2008 gilt auch als ein einschneidendes Erlebnis für die FARC-Guerilla, die erkennen musste, dass der bewaffnete Kampf und die Entführungen ihren Ruf in breiten Teilen der Bevölkerung nachhaltig zerstört hatte.
Die unblutige Befreiungsaktion einer Spezialeinheit leitete damals Verteidigungsminister Juan Manuel Santos, der später zum Präsidenten gewählt wurde und einen Friedensprozess mit der FARC einleitete. 2016, nach Vertragsabschluss, bekam Santos dafür den Friedensnobelpreis.
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