Noch krasser ist das Verhältnis in Frankreich: Zwei Millionen Dosen des Impfstoffes von BioNTech/Pfizer wurden geliefert. Doch eine Impfung erhielten bisher nur 516 Personen – und das, obwohl derzeit in Frankreich im Schnitt jeden Tag an die 300 Personen an Covid-19 sterben. Als letztes europäisches Land überhaupt beginnen die Niederlande am Freitag mit ihren Massenimpfungen.
Die Gründe für den zögerlichen Start in den EU-Ländern sind vielfältig. So etwa hat die EU den Impfstoff von BioNTech/Pfizer um einiges später zugelassen als etwa Israel und Großbritannien. Eine Entscheidung der EU-Medizinagentur EMA wird für Mittwoch erwartet – für jenen von Moderna.
Von dieser Vakzine hat die EU etwa 160 Mio. Dosen bestellt. Damit würde das Impfen in Europa zusätzlichen Schwung erhalten. In den USA ist der Moderna-Impfstoff bereits seit kurz vor Weihnachten zugelassen.
Großbritannien liegt beim Impfen weiter vor allen EU-Staaten: 1,3 Prozent der Bevölkerung sind dort mittlerweile geimpft. Dafür hat sich das Vereinigte Königreich für seine 67 Millionen Einwohner 40 Millionen vom teuren BioNTech/Pfizer-Impfstoff gesichert, dazu 100 Millionen des deutlich billigeren Vakzins von AstraZeneca.
Israel wiederum hat acht Millionen von BioNtech/Pfizer und neun Millionen von AstraZeneca geordert. Allerdings haben die Israelis beim Pharmariesen Pfizer einen höheren Preis gezahlt – mit etwa 24 Euro pro Dosis deutlich mehr als die EU, die angeblich 18 Euro berappt hat.
In der EU – und damit auch in Österreich – hatte man dagegen auf verschiedene Zugpferde gesetzt und versuchte so, das Risiko zu streuen: Im Sommer, als die ersten Vorverträge mit den Pharmafirmen geschlossen wurden, sei nicht absehbar gewesen, welcher Impfstoff das Rennen machen würde, heißt es. AstraZeneca lag damals bei seinen Studien am weitesten vorne, ehe es nachjustieren musste und damit Zeit verlor.
Deshalb bestellte die EU-Kommission bei sechs Herstellern insgesamt über zwei Milliarden Dosen. Dabei waren die größten Mengen bei AstraZeneca (400 Mio. Dosen); bei Curevac (405 Mio.) und beim US-Riesen Johnson&Johnson (400 Mio.) bestellt worden. Keiner dieser Impfstoffe aber hat es bisher in der EU zur Zulassung geschafft.
Die in Deutschland besonders heftige Kritik, wonach die EU und somit auch Deutschland zu wenig Impfstoffe geordert hätten, wies der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn gestern zurück: "Wir haben ausreichend Impfstoff für Deutschland und die EU bestellt", sagte er. "Das Problem ist nicht die bestellte Menge. Das Problem ist die geringe Produktionskapazität zu Beginn – bei weltweit extrem hoher Nachfrage."
Probleme bereiten aber nicht nur die Nadelöhre bei der Impfstoffproduktion, sondern auch die Organisation der Impfungen: Ein Sturm der Entrüstung ging auf Frankreichs Präsident Macron los, als klar wurde, dass riesige Mengen Impfstoff bereits im Land, aber nicht verimpft sind.
"Das ist ein Staatsskandal", empörte sich der Präsident der an Deutschland grenzenden Region Grand Est, Jean Rottner. "Alles wird von Paris aus entschieden", monierte er. Die Regionen würden nicht richtig eingebunden. "Sich impfen zu lassen ist komplizierter als der Kauf eines Autos."
Kleinlaut versprach Regierungssprecher Gabriel Attal: "Die Impfkampagne geht diese Woche erst richtig los." Bis Monatsende seien eine Million Franzosen geimpft.
Das höchste Tempo aller EU-Länder bei den Impfungen legte bisher Dänemark an den Tag: Dort sind bereits mehr als 46.000 seiner 5,8 Millionen Einwohner geimpft.
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