"Impeachment": Heute wird es ernst für Trump
Donald Trump könnte als erster Präsident in der US-Geschichte vor Ablauf seiner ersten Amtszeit aus dem Weißen Haus geschickt werden. Die wichtigsten Aspekte und der Zeitplan des drohenden Impeachments (Amtsenthebungsverfahren) im Überblick.
Was steht im Mittelpunkt der Vorwürfe?
Aus Sicht der Demokraten, die in zwei Monaten über ein Dutzend Top-Zeugen 100 Stunden lang hinter verschlossenen Türen vernommen haben, hat Trump in Kiew um Amtshilfe gebeten, um seine Chancen bei der Wahl 2020 zu steigern.
Die ukrainische Regierung sollte öffentlich erklären, dass sie staatsanwaltliche Untersuchungen gegen seinen möglichen demokratischen Herausforderer 2020, Alt-Vizepräsident Joe Biden, und dessen Sohn Hunter einleitet.
Der 49-Jährige saß im Aufsichtsrat des ukrainischen Gas-Konzerns Burisma, während Biden Senior unter Präsident Obama das Ukraine-Dossier versah. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, drohte Trump Kiew mit dem Einbehalt von 400 Millionen Dollar US-Militärhilfe. Ab heute, Mittwoch, werden die Belastungszeugen erstmals öffentlich unter Eid aussagen.
Wie läuft das „Impeachment“ ab?
Zum Schluss der Anhörungen (Ende November) geht ein Bericht an den Justizausschuss. Erst dort würden die endgültigen Weichen für das „Impeachment“ gestellt, das man sich wie eine Anklage-Erhebung vorstellen muss.
Sieht der Ausschuss genügend Indizien, um Trump „treason, bribery or other high crimes and misdemeanors“ vorzuhalten (Landesverrat, Bestechung oder andere schwere Verbrechen und Vergehen), wird das gesamte Repräsentantenhaus über das „Impeachment“ abstimmen. Das könnte noch vor Weihnachten geschehen.
Weil die Demokraten mit 235 von 435 Abgeordneten eine komfortable Mehrheit haben, ist mit einem „Ja“ zu rechnen. Trump wäre danach „angeklagt“, im US-Sprachgebrauch: impeached. Danach würde das Verfahren in den Senat wechseln, der wie eine Geschworenen-Jury die Anklage prüft, ihr mit Zweidrittel-Mehrheit zustimmt - dann wäre Trump Geschichte - oder sie verwirft.
Den Vorsitz ohne Stimmrecht hat John Roberts, Chef des Obersten Gerichtshofes. Die entscheidende Abstimmung, die einer Urteilsverkündung gleichkommt, könnte bis Ende Jänner geschehen.
Was ist das Besondere eines „Impeachment“-Verfahrens?
Es gab erst zwei in der amerikanischen Geschichte. Präsident Andrew Johnson wurde 1868 „impeached“. Bill Clinton erlebte das Ganze 1998 im Zuge der Sex-Affäre mit Monica Lewinsky. Beiden sicherte der Senat das politische Überleben. Richard Nixon entzog sich in der Endphase der Watergate-Affäre 1974 der Prozedur durch freiwilligen Rücktritt.
Ein „Impeachment“ hat nichts mit dem Strafgesetzbuch zu tun. Alles orientiert sich am Kodex für ehrenwertes Regierungshandeln – der Verfassung. Im Senat haben die Republikaner mit 53:47 die Mehrheit. Um Trump zu schassen, sind 67 Stimmen notwendig. Das ist unwahrscheinlich.
Was ist das Kalkül der Demokraten?
Die öffentliche Meinung ist gespalten. Knapp über 50 % sind für die Einleitung des „Impeachment“-Verfahrens, knapp unter 50 % halten den Rauswurf Trumps aber nicht für angezeigt. Sie wollen die nächste Wahl im November 2020 entscheiden lassen.
Die Demokraten setzen darauf, dass durch die im TV übertragenen Aussagen das Anti-Trump-Lager massiv Zulauf bekommt. Ähnlich war es bei Richard Nixon, als Tonbänder öffentlich wurden: Nixon trat aus freien Stück zurück.
Was ist die Strategie Trumps und der Republikaner?
Der Präsident sieht sich als Opfer der schlimmsten „Hexenjagd“ in der amerikanischen Geschichte. Führende Köpfe der Demokraten nennt er „geisteskrank“ und „kriminell“. Belastungszeugen sind für Trump „menschlicher Abschaum.“
Republikanische Wortführer argumentieren so: Ja, Trump habe wohl mit dem ukrainischen Präsidenten ein Geschäft auf Gegenseitigkeit anbahnen wollen: US-Militärhilfe gegen „Schmutz“ über Joe Biden. Ja, dies könne man falsch finden. Aber: Um Trump aus dem Oval Office zu boxen, reiche diese Verfehlung nicht.
Wo liegen die Gefahren für Trump?
Niemand kann die Dynamik einschätzen, die durch TV-Live-Übertragungen entsteht. Politikforscher sagen: Wenn 65 % der Amerikaner Trump weghaben wollen, dann werden die Republikaner Trump nach und nach (die Demokraten hoffen auf einen Dominoeffekt) fallen lassen; aus Angst, bei den nächsten Wahlen abgestraft zu werden.
Welche Risiken gehen die Demokraten ein?
Eifer kann den Demokraten zum Verhängnis werden. Sie werden unentschlossene Wähler von einer vorgezogenen Abberufung Trumps nur überzeugen können, wenn sie sich streng an die Fakten halten. Im schlimmsten Fall wird Trump „impeached“, aber nicht rausgeworfen, und gewinnt die Präsidentschaftswahl im November 2020 zum Trotz.
Kommentare