Im Visier der Ermittler und trotzdem Favorit in Prag: Milliardär Babis
Andrej Babis steuert auf einen Sieg bei den Parlamentswahlen zu. Auch Enthüllungen über Steuerbetrug schaden ihm kaum.
08.10.21, 06:00
Missbrauch von EU-Fördergeldern, großzügige öffentliche Aufträge in die eigene Firma geschleust – und jetzt auch noch die Enthüllungen über den steuerschonenden Kauf von Luxusimmobilien an der französischen Riviera: Für einen amtierenden Regierungschef hat Andrej Babis so einiges an Affären und laufenden Ermittlungen am Hals. Einem Sieg bei den heute und morgen, Samstag, abgehaltenen Parlamentswahlen dürfte all das trotzdem nicht im Wege stehen.
Nicht der erste Skandal
Der milliardenschwere Unternehmer und seine populistische Bewegung ANO waren bis zuletzt in Umfragen klar in Führung. „Babis hat schon so viele Skandale gehabt“, gibt sich der Prager Politologe Petr Just bei einer Diskussion des Wiener Donau-Instituts abgeklärt, „und es hat ihm noch nie geschadet, zumindest bei seinen Anhängern nicht“.
"Millionen aus Afghanistan"
Diese Anhänger sind laut Statistik vor allem in Tschechiens ländlichen Gebieten und Kleinstädten zu Hause. Dort hegt und pflegt man die Ängste, die Babis auch in diesem Wahlkampf bedient hat, vor Zuwanderung, Islam und wachsender Kriminalität.
Dass Tschechien gerade von Zuwanderung kaum betroffen ist, nimmt Babis’ Warnungen vor den „Millionen aus Afghanistan“ und Zwangseinquartierungen in den geliebten Schrebergärten seiner Landsleute offensichtlich nicht die Wirkung. „Seine Kampagne hat perfekt mit Ängsten und Emotionen gespielt“, analysiert Aneta Zachova, Journalistin bei der Internet-Plattform Euractiv, „für das junge, liberale, städtische Publikum gibt es in diesem Wahlkampf ohnehin kein attraktives Angebot“.
Piratenpartei
Eigentlich wollte dieses Angebot ja die Piratenpartei liefern. Anderswo in Europa längst in der Versenkung verschwunden, haben sich die einstigen anarchistischen Kämpfer für ein freies Internet in Tschechien zu einer ernsthaften Partei ausgewachsen.
Zwar trägt ihr Chef Ivan Bartos weiterhin seine Rasta-Zöpfe, politisch aber präsentiert er sich als Kämpfer gegen Korruption. Im Brennpunkt: der Premier, der ja selbst vor zehn Jahren mit Parolen gegen die grassierende Korruption auf der politischen Bühne auftauchte.
Bartos’ Kampagne zieht beim städtischen Publikum in Prag oder Brünn und hat die Piraten im Bündnis mit einer Handvoll unabhängiger Bürgermeister in Umfragen auf 20 Prozent gebracht. Damit liegt man fast gleichauf mit einem Bündnis von konservativen Parteien mit dem Titel „Spolu“ („Gemeinsam“).
Um Babis’ Sieg und damit eine zweite Amtszeit für den 67-Jährigen zu verhindern, wird das allerdings kaum reichen. Die ANO-Partei, die eigentlich vor allem aus dem Regierungschef besteht, liegt mit 28 Prozent deutlich in Führung.
Liebling des Präsidenten
Dazu kommt, dass Staatschef Milos Zeman der wichtigste politische Verbündete des Premiers ist. In Prag gibt es die wildesten politischen Spekulationen darüber, welchen Trick der bekannt ausgekochte Präsident wohl anwenden könnte, um Babis auf jeden Fall wieder an die Regierung zu bringen.
„Auf jeden Fall dreht sich auch bei diesen Wahlen alles wieder um Babis“, erläutert Politologe Just, „und nicht um wirkliche Themen“.
"Leere Worte"
Tatsächlich war in diesem Wahlkampf von ernsthaften Themen nicht viel zu bemerken. Umso leichter fiel es Babis, mit der Angst vor der nicht vorhandenen Migration und einer ordentlichen Dosis EU-Skepsis zu punkten. Dass Tschechien wirtschaftlich zu den erfolgreichsten Ländern der EU gehört und weitgehend Vollbeschäftigung hat, nehmen die Bürger als gegeben hin, der Politik jedenfalls rechnen sie diesen Erfolg nicht an. „Die besteht für viele Tschechen nur aus leeren Worten, ohne Strategie und Visionen“, gibt sich die Journalistin resigniert, „und davon haben sie einfach genug“.
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