Wieder beschossen die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) einen Beobachtungsposten der UN-Mission UNIFIL im Libanon, wieder sollen UN-Soldaten dabei verletzt worden sein. Sprecher der IDF behaupten, in der Nähe des Stützpunktes seien Kämpfer der Hisbollah aktiv – die Kritik am Vorgehen Israels ist jedoch groß.
Zumal es nicht das erste Mal ist, dass UN-Soldaten im Libanon von israelischer Seite beschossen wurden. Am 26. Juli 2006 starb etwa der österreichische Major Hans-Peter Lang durch israelischen Beschuss seines UN-Postens.
Aufgaben nicht erfüllbar
Seit Bestehen der UNIFIL-Mission im Jahr 1978 starben 326 Soldaten. Das bis dato letzte Opfer ist ein irischer Soldat, dessen Gruppe im Dezember 2022 auf einer Fahrt nach Beirut von einem (mutmaßlichen) Hisbollah-Mob umzingelt, angegriffen und getötet wurde.
Nach wie vor verrichten etwa 10.000 Soldaten aus etwa 50 Staaten (darunter 166 aus Österreich) ihren Dienst an der „Blue Line“, der Waffenstillstandslinie und inoffiziellen Grenze zwischen Israel und dem Libanon. Offiziell sollen sie unter anderem dafür sorgen, dass niemand außer der libanesischen Armee in diesem Gebiet patrouilliert – und gemäß der UN-Revolution 1701 sollen sie die libanesischen Streitkräfte dabei unterstützen, die Hisbollah zu entwaffnen.
Dass dies nicht gelingt, hat mehr mit den Wirren der libanesischen Innenpolitik zu tun – doch de facto können die Soldaten der UNIFIL nicht mehr tun als die Schusswechsel zwischen Israel und der Hisbollah zu dokumentieren. Andererseits fungiert die Mission nach wie vor als neutrale Plattform für Gespräche zwischen israelischen und libanesischen Vertretern. Eine Plattform, der in Bälde hohe Wichtigkeit zukommen dürfte – und die auch in der Vergangenheit immer wieder zu diplomatischen Erfolgen geführt hat.
Ihre grundsätzlichen Aufgaben kann UNIFIL jedoch nicht erfüllen. So ist die Mission etwa dazu ermächtigt, „in den Gebieten, in denen ihre Streitkräfte stationiert sind, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, die sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten für erforderlich hält, um sicherzustellen, dass ihr Einsatzgebiet nicht für feindliche Aktivitäten jeglicher Art genutzt wird (…)“ – auch hier machte die Realität der Theorie einen Strich durch die Rechnung.
Hoffnung für UNIFIL?
Allein im März dieses Jahres wurden UN-Patrouillen 13-mal von libanesischen Zivilsten – meist größeren Menschengruppen – angehalten und an der Weiterfahrt gehindert.
Ist die Mission zum Scheitern verurteilt? Nicht unbedingt: Einen Tag vor dem Einmarsch der Israelis kündigte der libanesische Premier an, für eine Umsetzung der Resolution 1701 bereit zu sein – die Hisbollah zu entwaffnen. Je nachdem wie der Krieg ausgeht, könnte es passieren, dass UN-Soldaten die libanesischen Streitkräfte dabei unterstützen. Die Debatte über den Sinn von UN-Missionen ist nicht neu. Ihre Fürsprecher geben zu bedenken, was Regionen hätte passieren können, wären die jeweiligen Missionen dort nicht aktiv.
Auch erwiesen sich einige UN-Missionen als erfolgreich: In Namibia etwa gelang es einer Mission, in den Achtzigerjahren, nach einem verheerenden Krieg die Grundlage für die Unabhängigkeit des Landes zu schaffen. Auch in Osttimor begleiteten Blauhelme die Bevölkerung in die Unabhängigkeit.
MINUSMA gescheitert
Kritiker entgegnen mit dunklen Kapiteln wie Ruanda oder Srebrenica. Vergangenes Jahr wurde die MINUSMA in Mali auf Wunsch der dortigen Militärregierung beendet – in zehn Jahren war es der Mission nicht gelungen, in Nordmali für Sicherheit zu sorgen, Hunderte Soldaten starben bei Anschlägen durch verschiedene Terrorgruppen.
Wenig hilfreich für die Zukunft der UN-Friedensmissionen dürfte auch das Ergebnis des im September abgehaltenen UN-Zukunftsgipfels gewesen sein. Man wolle „Friedensoperationen besser an bestehende Herausforderungen und neue Realitäten anpassen“. Wie? Indem man sicherstelle, dass die Operationen von „einer integrativen politischen Strategie und anderen nichtmilitärischen Ansätzen begleitet werden“. Außerdem wolle man „die eigentlichen Konfliktursachen angehen“. Der 66-seitige „UN-Zukunftspakt“ zeigt die aktuellen Probleme der Friedensorganisation unfreiwillig auf: Schlagworte sind der kleinste gemeinsame Nenner in einer Welt im Umbruch.
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