Chodorkowski-Familie in Freiheit vereint

Michail Chodorkowski
Chodorkowski traf in Berlin seine Eltern und seinen Sohn. Heute tritt der russische Ex-Oligarch vor die Presse.

Das Berliner Hotel „Adlon“ wird von Dutzenden Journalisten aus aller Welt regelrecht belagert. Alle dreht sich um den derzeit berühmtesten Gast in der Luxus-Absteige ganz in der Nähe des Brandenburger Tores: Michail Chodorkowski, 50. Wie berichtet war der frühere russische Öl-Magnat und Erzrivale von Präsident Wladimir Putin vom Kremlchef begnadigt worden und am Freitag in der deutschen Hauptstadt gelandet.

Dort befinden sich jetzt auch sein Sohn Pawel, 27, und die Eltern Chodorkowskis, die er erstmals wieder als freier Mann in die Arme schließen konnte. „Nach zehn Jahren (Lagerhaft) ist das ein unglaubliches Gefühl der Freiheit“, sagte der frühere russische Staatsfeind Nummer eins. „Es war ein Schock, meinen Vater wiederzusehen“, erzählte Pawel Chodorkowski nach dem ersten Treffen, „aber ein positiver Schock. Er hat sich kaum verändert. Es geht ihm gut, er ist fit. Wir alle sind glücklich.“ Nun soll auch der Rest der Familie, die Ehefrau und die übrigen drei Kinder, nach Berlin kommen. Laut Bildzeitung nützte der Ex-Häftling seine neu gewonnene Freiheit und ging am Samstag shoppen.

In einem Video-Interview für das Kreml-kritische Magazin The New Times sagte Chodorkowski, dass er im Lager nur drei Tage pro Quartal in einem Bett habe schlafen können.

Chodorkowski vor der Presse

Am Sonntag will er bei einer Pressekonferenz um 13 Uhr im Berliner Mauermuseum zu seiner Zukunft Stellung nehmen. Bereits zuvor sagte er der The New Times: „Es gibt noch viel zu tun, die Freilassung der Geiseln, die noch im Gefängnis sind, vor allem Platon Lebedew (Chodor­kowskis ehemaliger Geschäftspartner, Anm.).“Menschenrechtsaktivisten in seiner Heimat haben den 50-Jährigen eingeladen, am Aufbau einer Zivilgesellschaft in Russland mitzuarbeiten.

Rückkehr nicht ausgeschlossen

Und einer Rückkehr scheint nichts im Wege zu stehen: Putins Sprecher Dmitri Peskow betonte, der Ex-Oligarch könne jederzeit einreisen. Zudem sagte Peskow, dass Chodorkowski dem russischen Präsidenten vor der Begnadigung zwei Briefe geschrieben habe. Einen offiziellen und kurzen sowie einen langen, persönlichen. Angeblich ist die Krebserkrankung seiner Mutter Marina der Grund, warum sich der Inhaftierte an seinen Erzfeind im Kreml gewandt hat. Dies sei aber kein Eingeständnis seiner Schuld, ließ Chodorkowski wissen.

Eingefädelt hatte seine spektakuläre Freilassung der frühere deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP). Über viele Monate hatte er in Absprache mit der deutschen Regierung hinter den Kulissen geackert und in dieser Causa auch zwei Mal mit Putin persönlich gesprochen.

Wer dem Kreml nicht zu Gesicht steht

Als einst reichster Mann Russlands verfügt der Kremlgegner Michail Chodorkowski (50) vermutlich noch heute über ein ansehnliches Vermögen. Eine offizielle Zahl, wie viel Geld nach der Zerschlagung seines einst größten russischen Ölkonzerns Yukos und nach den zehn Jahren Straflager noch übrig ist, gibt es aber nicht. In russischen Medien kursierte die unbestätigte Summe von 200 Millionen Euro.

Die Frage nach dem Vermögen kommt vor allem deshalb immer wieder auf, weil für den einst berühmtesten Gefangenen Russlands nicht nur die besten - und teuersten - Anwälte im Einsatz sind. Auch kostspielige PR-Firmen setzen sich seit langem dafür ein, dass der frühere Yukos-Chef im "Informationskrieg" mit dem Kreml den ein oder anderen Treffer landet.

Auf die Frage, ob er noch Milliardär sei, wird Chodorkowski auf seiner eigenen Internetseite mit folgender Antwort aus dem Jahr 2011 zitiert: "Lustige Frage. Fragen Sie die Staatsanwälte. Die wissen alles. Ich möchte es auch gern wissen."

Dementi

Seine Juristen stellten klar, dass Chodorkowski kein Milliardenvermögen mehr habe. Das sagten sie aber möglicherweise auch mit Blick auf die immensen Forderungen des russischen Staates, der Chodorkowski in umstrittenen Verfahren wegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Öldiebstahls hat verurteilen lassen.

hodorkowskis in New York lebender Sohn Pawel sagte dem Radiosender Echo Moskwy im vergangenen Oktober, dass von dem 2003 genannten Vermögen von 15 Milliarden US-Dollar "vergleichsweise geringe Mittel" übrig seien. Im Straflager habe er als einfacher Gefangener Zugriff auf einige 1000 Rubel (je etwa 20 Euro) gehabt.

Waren es die Ankündigungen ausländischer Spitzenpolitiker, nicht nach Sotschi zu fahren? Oder hatte Präsident Putin ohnehin vor, mit der medienwirksamen Freilassung prominenter Gefangener sein Image rechtzeitig vor Olympia aufzupolieren? Entscheidend ist letztlich nur: Was jetzt wie ein Gnadenakt daherkommt, ist nur die andere Seite von Russlands politisch gesteuerter Willkürjustiz. Gefängnis oder Freiheit – „Zar“ Putin gibt’s und nimmt’s ganz nach Belieben. Denn nach halbwegs vernünftigen Rechtsmaßstäben hätten die jetzt amnestierten Pussy-Riot-Sängerinnen, die Greenpeace-Aktivisten und auch Ex-Tycoon Chodorkowski gar nie hinter Gittern landen dürfen. Sie alle nun frei zu lassen, kostet den Machtmenschen Putin nichts – und ändert nichts. In Russland wird nicht schlagartig der Rechtsstaat einkehren. Putins Gegner dürfen auch morgen noch damit rechnen, im Gefängnis zu landen. Und das Anti-Homosexuellen-Gesetz bleibt aufrecht. Weitere Boykottandrohungen westlicher Staatschefs für Sotschi wären also angebracht.

Kommentare