Hongkong: Weshalb die Demonstranten nun zu Lasern greifen

Hongkong: Weshalb die Demonstranten nun zu Lasern greifen
Bei den seit Wochen andauernden Protesten in Hongkong wird Identität zunehmend zur Waffe.

Blaue und grüne Strahlen schießen durch den Tränengasnebel, prallen auf die Kameralinse, blenden Polizisten. Die Demonstranten in Hongkong greifen bei ihren Protesten in Hongkong zu immer härteren Mitteln – reagieren damit auf das nicht minder harte Vorgehen der Regierung.

Die Polizisten tragen Gesichtserkennungs-Kameras, ein Grund, warum die Demonstranten ihre Gesichter verhüllen. Denn Identität wird in den gut zwei Monaten andauernden Protesten zunehmend zur Waffe. Wie die New York Times in dieser Woche berichtete, versuchen Polizisten, Festgenommene dazu zu zwingen, ihre iPhones zu öffnen – offenbar, um diese auslesen zu können. Am leichtesten funktioniert dies mit der Entsperrung durch Gesichtserkennung. Die Polizisten haben aus ihrer Sicht allen Grund dazu, an die Telefondaten zu kommen, denn seit Wochen sammeln Demonstranten private Daten von Beamten und stellen sie in Chatgruppen. Das würde es laut der Hongkonger Polizei erleichtern, einen Polizisten zu finden und zu töten.

Grundsätzlich werden die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Bevölkerung immer brutaler: Gummigeschosse, Tränengas, Attacken mit Feuerwerkskörpern.

HONG KONG-CHINA-POLITICS

"Die Menschen in Hongkong haben mehr Toleranz gegenüber gewalttätigen Protesten entwickelt“, schreibt der inhaftierte Aktivist Benny Tai aus seiner Zelle. "Besonders, da die Regierung eine direkte und aussagekräftige Antwort auf die Forderungen der friedlichen Protestbewegung verweigert.“ "Was ist Gewalt? Muss Gewalt falsch sein? Müssen alle gewalttätigen Handlungen verurteilt werden?" Dies seien Fragen, die sich viele Hongkonger nun stellten, fügte Tai hinzu.

In Hongkong finden seit zwei Monaten beispiellose Proteste statt. Diese richteten sich zunächst gegen ein inzwischen auf Eis gelegtes Auslieferungsgesetz, das erstmals Überstellungen nach Festland-China ermöglicht hätte, wo andere Rechte gelten. Inzwischen haben sich die Proteste ausgeweitet: Die Demonstranten fordern demokratische Reformen, ein allgemeines Stimmrecht und den Rücktritt der Peking-treuen Regierungschefin Carrie Lam.

Mittlerweile haben sich auch Hunderte Beschäftigte der Finanzbranche in Hongkong mit den Massenprotesten gegen die wachsenden chinesischen Eingriffe in der Sonderverwaltungszone solidarisiert. Bei strömendem Regen versammelten sich die Bankenmitarbeiter am Donnerstagabend zu einer Demonstration im Finanzdistrikt.

Dabei hielten sie ihre Handys in die Höhe, um eine spontane Lichtershow zu schaffen, und bekundeten in Sprechchören ihre Unterstützung für die seit Wochen andauernden Großdemonstrationen.

Die Proteste in Hongkong waren ursprünglich durch ein später zurückgezogenes Auslieferungsgesetz ausgelöst worden, das die Überstellung von Verdächtigen an das chinesische Festland erlaubt hätte. Später weiteten sie sich zu einer Bewegung für demokratische Reformen und gegen den wachsenden Einfluss Pekings in der ehemaligen britischen Kronkolonie aus. Großbritannien hatte Hongkong 1997 an die Volksrepublik übergeben. Für 50 Jahre wurde der Finanzmetropole dabei aber ein Sonderstatus gewährt.

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