Finale im Schauprozess: Hongkonger Milliardär Jimmy Lai schuldig gesprochen
Noch vor wenigen Jahren verfügte Lai Chee-ying, genannt Jimmy Lai, über eine Fülle an Macht und Einfluss, mit der er an anderen Orten wohl eine ganze Unternehmer- und Politiker-Dynastie hätte begründen können. Er war Milliardär, besaß mehrere Bürotürme und hatte die meistgelesene Zeitung seiner Wahlheimat Hongkong gegründet.
Auch politisch war Lai bestens vernetzt, war Gast im Weißen Haus und in der Londoner Downing Street. Die Mehrheit der Hongkonger stand laut Umfragen hinter der von ihm mitfinanzierten Demokratiebewegung.
Nun blickt Jimmy Lai in den Abgrund: Ein Gericht in Hongkong hat den Verleger im Verfahren um Verstöße gegen die nationale Sicherheit schuldig gesprochen. Die Richter sahen die Schuld Lais in den Anklagepunkten der Verschwörung zur Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften sowie zur Veröffentlichung aufrührerischer Publikationen als erwiesen an. Dem 78-jährigen Gründer der prodemokratischen Zeitung Apple Daily droht lebenslange Haftstrafe. Die Anhörung über das Strafmaß soll am 12. Jänner beginnen.
Fünf Jahre in Einzelhaft
Seit mehr als fünf Jahren sitzt der 78-Jährige schon im berüchtigten Stanley Prison am Südende der Hongkong-Insel in Einzelhaft. Zuletzt machten sich Unterstützer Sorgen um seinen Gesundheitszustand. Kritik wurde zudem laut, weil das Gericht erst am Freitag den Termin zur Urteilsverkündung öffentlich gemacht hatte.
Hongkong ist kein Ort wie jeder andere, schon gar nicht seit der Rückgabe an China im Jahr 1997. Als die chinesische Regierung die Sonderverwaltungszone 2019 zu einem neuen nationalen Sicherheitsgesetz drängte, durch das Peking faktisch die Kontrolle über die Justiz übernommen hat, brachen in Hongkong die schwersten Proteste jemals aus.
Millionen von Menschen gingen täglich für demokratische Freiheitswerte und das bestehende, von Großbritannien übernommene Rechtssystem auf die Straße. Jimmy Lai war an vorderster Front dabei, stets an der Seite der Anführer der Studentenbewegung. Die Journalisten seines Medienimperiums Next Digital, allen voran jene der liberalen Tageszeitung Apple Daily, berichteten ausführlich über jeden Übergriff durch die Hongkonger Polizei.
Doch die Macht des chinesischen Staates war größer. Am 10. August 2020 wurde Jimmy Lai erstmals bei einer Razzia festgenommen, als sich die Proteste verschärften jedoch auf Bewährung entlassen. Nachdem China vom Festland Verstärkung für Hongkongs Polizei schickte, wurde er am 3. Dezember erneut verhaftet – diesmal dauerhaft. Nur Wochen später erzwangen die Behörden die Schließung seiner Medienhäuser.
Exempel statuiert
Die prominenten Studentenführer der Hongkonger Proteste – Agnes Chow, Ivan Lam und Joshua Wong – waren vor Gericht allesamt zu langen Haftstrafen verurteilt worden, kamen jedoch nach jeweils etwas mehr als einem Jahr frei. Einzig Wong wurde später erneut verhaftet.
Der Prozess galt als wegweisend und ist das bisher prominenteste Verfahren nach dem nationalen Sicherheitsgesetz, das China infolge der Massenproteste von 2019 erlassen hatte. Die USA und andere westliche Staaten kritisieren den Prozess als politisch motiviert und fordern die Freilassung Lais.
Das Verfahren gegen Lai war im Dezember 2023 eröffnet worden und überschritt die angesetzten 80 Tage deutlich. Ende August endete der Prozess nach mehr als 150 Verhandlungstagen. Lai hatte auf nicht schuldig plädiert.
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