Die Ukraine galt in der UdSSR wegen ihrer enorm fruchtbaren Böden als Kornkammer; den freien Bauernstand dort ließen zunächst Lenin und später Stalin mittels Zwangskollektivierungen auslöschen. Später trafen die Säuberungen aber nicht mehr nur die "Kulaken", wie die Sowjets alle Bauern verächtlich nannten. Moskau ließ auch Zehntausende Vertreter der Elite Richtung Sibirien deportieren oder ermorden, um den „aufkeimenden ukrainischen Nationalismus“ zu zerschlagen - um jegliche Tendenzen, die sich der repressiven Sowjetherrschaft widersetzten, auszulöschen.
Systematisches Aushungern
Stalins Politik hatte neben der Unterwerfung ein simples Ziel. Er nutzte die fruchtbaren Böden der Ukraine, um mit Getreideexporten die schnellwachsende Schwerindustrie der UdSSR zu finanzieren. Das ließ das Gewicht der Sowjets in der Welt steigen, in der Ukraine löste dies aber eine massive Hungerkrise aus, weil den Menschen nichts zum Essen blieb - und zwar systematisch und vorsätzlich, wie Historiker heute sagen. Bis zu sieben Millionen Menschen sollen im laufe der Jahre als Folge dieser zynischen Politik gestorben sein.
Verminte Felder, keine Nahrungsmittel
Dass der Kreml auch heute vom "Nationalismus" der Ukrainer spricht, der den großen russischen Nachbarn bedroht und der mit Waffen bekämpft werden müsse, ist daher kein Zufall. Der Holodomor, das nationale Trauma der Ukraine schlechthin, ist in Russland nämlich kein anerkannter Genozid, im Gegenteil. Es ist eines der vielen Verbrechen Stalins, die in Russland nicht aufgearbeitet oder bewusst verschwiegen werden - oder zum Zwecke der heutigen Propaganda schlicht ins Positive gedeutet werden.
Putin knüpft aber nicht nur sprachlich an die Vorgehensweise Stalins an. Auch die wochenlangen Belagerungen von Städten wie Mariupol wecken dunkle Erinnerungen bei den Ukrainern - und das sollen sie wohl auch. In den 1930ern ließ Moskau die Bevölkerung verhungern, aus ideologischen wie wirtschaftlichen Motiven. Jetzt werden bei den Einkesselungen von Städten Menschen absichtlich von Wasser und Nahrung abgeschnitten, auch medizinische Hilfe kommt nicht in die Stadt. Dass Krankenhäuser zerbombt wurden, verschlimmert den Belagerungszustand massiv.
Zudem verminen Soldaten auch die Felder ringsum. Das macht sie möglicherweise auf Jahre nicht mehr nutzbar – und provoziert eine Hungerkrise. Dass das das 1977 ein völkerrechtliches Kriegsverbrechen ist, wird Putin wohl nicht weiter stören.
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