Hilfe aus dem Amazon-Karton für den Katastrophenschutz

Hilfe aus dem Amazon-Karton für den Katastrophenschutz
Der Logistik-Gigant eröffnete sein erstes Katastrophenhilfezentrum in Europa. Für Hilfsorganisationen ist das mehr als ein PR-Stunt – ersetzen kann der Riese staatliche Strukturen aber nicht.

Fünfzehn Meter hoch ragen die Regale im Amazon-Logistikzentrum im deutschen Rheinberg nahe Düsseldorf. 100.000 Artikel werden hier jeden Tag ausgeliefert – vom Nagelzwicker bis zum Flachbildfernseher. Gabelstapler transportieren unablässig Pakete, das Piepsen der Etikettiermaschinen ist ein ständiger Begleiter.

Türkei-Hilfe

Davon lässt sich Bettina Stix nicht beeindrucken, als sie auf die Bühne tritt, die im hinteren Bereich einer der zahlreichen, riesigen Lagerhallen aufgebaut ist: „Die Erdbeben in der Türkei und Syrien vor einem Jahr waren eine unfassbare Katastrophe. 50.000 Tote, 100.000 Verletzte“, ruft sie in Erinnerung. „Wir haben damals geholfen und bald werden wir noch rascher helfen können“, setzt sie fort. Tatsächlich hat das Logistikunternehmen im Februar vergangenen Jahres 45 Tonnen an Hilfsgüter in die betroffenen Gebiete geschickt, Lagekarten erstellt, Spenden gesammelt. Zum Vergleich: Algerien lieferte 210 Tonnen, Österreich 25.

Güter in 72 Stunden

Einsätze wie jener in der Türkei und Syrien sollen ab jetzt noch rascher gehen – Stix eröffnet in Rheinberg das erste „Amazon Disaster Relief Hub“ – ein Katastrophenhilfezentrum in Europa. Binnen 72 Stunden sollen Hilfsgüter in Kooperation mit nationalen und internationalen Hilfsorganisationen von Naturkatastrophen betroffene Gebiete erreichen. Konkret in ganz Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika.

PR eines Großkonzerns? Das mag wohl sein. Doch Amazon verfolgt diese Strategie schon länger. Seit 2017 nutzt der Handelsriese seinen Warenbestand, seine Logistik und seine Technologien, hat bei mehr als 145 Naturkatastrophen und humanitären Krisen geholfen. Bisher hat das Unternehmen mehr als 24 Millionen Hilfsgüter gespendet. Von Heizgeräten bis hin zu Zelten.

In den vergangenen 18 Monaten hat Amazon auf Naturkatastrophen in aller Welt reagiert, darunter Waldbrände in Chile, Kolumbien, Australien und Hawaii, Erdbeben in Japan, der Türkei, Syrien und Marokko sowie Wirbelstürme und Zyklone in Puerto Rico, Florida und Indien.

Ersetzt die Firma damit das staatliche Katastrophenschutzsystem? Eher nicht. Initiativen von Konzernen wie Amazon sollen unterstützen – Zivilschutzverbände, Feuerwehren oder im schlimmsten Fall das Bundesheer tragen einen gigantischen Teil der Arbeit.

Rotes Kreuz erfreut

Fragt man die Hilfsorganisationen selbst, so kommt Lob. Beim Hochwasser in Kärnten, der Steiermark und Slowenien im vergangenen Sommer half Amazon etwa mit Spenden. Darunter dem Österreichischen Roten Kreuz, dessen Vertreter Gerald Czech an der Eröffnung teilnimmt: „Prinzipiell ist es unsere Aufgabe, den Menschen in Not so rasch als möglich zu helfen. Da kooperieren wir mit lokalen Unternehmen wie Bäckern, staatlichen Hilfsorganisationen oder eben Unternehmen wie Amazon“, sagt er zum KURIER. Vor allem in den USA arbeitet das Rote Kreuz seit Jahren mit Amazon zusammen. Das Österreichische Rote Kreuz dient als zentrale Anlaufstelle für alle Rotkreuz-Organisationen in Südosteuropa.

„Sie haben eine große Lagerkapazität, können uns rasch beliefern“, sagt Rot-Kreuz-Vertreter Czech. 1.000 Europaletten – das entspricht etwa zwanzig Flugzeugladungen – an Hilfsgütern sollen bald in Rheinberg lagern, derzeit sind es etwa 250. Zelte, Schlafsäcke, Hygieneartikel sind darunter.

„Wir haben mit Amazon abgesprochen, was wir im Katastrophenfall benötigen – das ergibt organisationstechnisch einfach Sinn. Logistik ist oft das größte Problem bei der Katastrophenhilfe“, sagt Czech.

Die Reise nach Rheinberg erfolgte auf Einladung von Amazon und wurde von Amazon finanziert.

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