Her Majesty The Queen: Eine Epoche lang ihre Pflicht getan
Diese, ihre letzte Entscheidung war ihr wohl nicht leicht gefallen. Die Angelobung der neuen Premierministerin Liz Truss am Dienstag konnte Königin Elizabeth nicht im Londoner Buckingham Palast vornehmen. Aus gesundheitlichen Gründen musste sie ins schottische Balmoral bitten, ihre Sommerresidenz. 14 Vorgänger waren über die Londoner Prachtstraße The Mall zu ihrer Angelobung gerollt, vorbei am Denkmal von Königin Victoria – ihrer Ururgroßmutter – , deren 63-jährige Regentschaft sie schon im Jahr 2015 überboten hatte.
Doch Victoria, wie auch Elizabeth II. aus einem deutschen Adelsgeschlecht stammend, prägte eine Epoche: Das Viktorianische Zeitalter, als Großbritannien nicht nur über die Weltmeere herrschte, sondern auch über das größte Reich der Neuzeit. Das Elisabethanische Zeitalter dagegen, das gehört noch immer ihrer Namensvetterin, die zu Zeiten Shakespeares den Spaniern die Stirn bot.
Die Stellung gehalten
Elizabeth II. hat in 70 Jahren auf dem Thron vor allem eines getan: Die Stellung gehalten und ihre Pflicht erfüllt. Diese Pflicht war der Inbegriff der Tochter des so früh an Krebs verstorbenen George, die mit 25 die Last der Krone tragen musste. Das Reich, das sie von da an regierte, hatte auf der Landkarte immer noch beinahe die Gestalt von Victorias Reich, doch es war bereits dabei zu zerfallen. Das Vereinigte Königreich, das nun ihr erstgeborener Sohn Charles mit 73 übernimmt, ist ein Land, an dessen Einheit viele nicht mehr glauben wollen oder können, und das in eine der tiefsten Krisen seit Jahrzehnten schlittert.
Elizabeth hat das alles in strenger Gelassenheit und einem immer wohltemperierten Lächeln durchgestanden. Diese Gelassenheit verließ sie nur einmal, als die von ihr gering geschätzte Prinzessin Diana 1997 starb und die Druckwelle der öffentlichen Trauer die Monarchie wegzuspülen drohte. Die Königin weigerte sich über Tage, die Fahne auf dem Palast auf halbmast setzen zu lassen.
Sie hat auch diese Krise durchgestanden – so wie auch Dutzende andere, politische, aber vor allem private. Ob das nun das nicht ganz unfallfreie Jet-Set-Leben ihrer Schwester Margaret war, der Ausstieg ihres Enkels Harry aus dem strengen Korsett des Königshauses oder die Affäre rund um die Missbrauchs-Vorwürfe gegen ihr Nesthäkchen Andrew. Elizabeth kam durch, "ohne etwas zu tun, oder zu sagen, das peinlich werden oder für Streit sorgen könnte", wie es BBC-Grandseigneur Andrew Marr, einer der besten Kenner des Königshauses, formulierte.
Für Elizabeth war die Regentschaft eine Pflicht, die ihr auferlegt worden war, so wie jedem ihrer Untertanen die seine. Als die Corona-Pandemie das Land überrollte, hielt sie eine ihrer letzten großen Ansprachen und beschwor noch einmal jene Tugenden ihrer Landsleute, die auch sie ein Leben lang hochgehalten hatte: "Selbstdisziplin, stille gut gelaunte Entschlossenheit und das Gefühl des Zusammenhalts."
Sie blieb also gelassen, ruhig, pflichtbewusst – und ein Leben lang undurchschaubar. Wie diese Königin wirklich war, was sie bewegte: Das wird – einmal abgesehen von ihren Corgis-Hündchen und ihren Reitpferden – auch zukünftigen Biografen Rätsel aufgeben.
Gebrechlichkeit gezeigt
Dass sie ihre Gebrechlichkeit zuletzt nicht mehr vor der Öffentlichkeit geheim hielt, dass sie erstmals Herrscherpflichten an Charles abtrat, hat auch mit dem letzten Schicksalsschlag zu tun, von dem sich Elizabeth nicht mehr erholte: Der Tod ihres Ehemannes Philip, mit dem sie 73 Jahre verheiratet war.
Wie tief der Verlust die Königin getroffen hatte, war an den Bildern der Trauerfeier zu erahnen. Einsam und in sich zusammengesunken saß die Witwe im Kirchstuhl der St. George’s Chapel in Windsor. Er sei "ganz einfach meine Stärke, mein Rückhalt über all diese Jahre" gewesen, meinte sie über den Mann, den sie abseits aller ordentlich erfüllten dynastischen Verpflichtungen vor allem aus Liebe geheiratet hatte.
Philips Tod ließ viele Briten erstmals das Undenkbare denken: Dass sie sich von der Königin verabschieden müssten, die sie ihr ganzes Leben begleitet hatte, stoisch, wortkarg und pflichtbewusst. Jetzt ist der Zeitpunkt des Abschieds gekommen – und er wirft viele Fragen auf, auch jene, die ihnen Elizabeth mit ihrer Ausdauer erspart hatte.
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