EU-Urteil gegen Armutsmigration
Es ist ein Urteil, das Klarheit schafft – und die Debatte um (angebliche) Armutsmigration innerhalb der EU langfristig beruhigen könnte. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Dienstag entschieden, dass EU-Bürger unter bestimmten Umständen von Sozialleistungen ausgeschlossen werden können.
Im konkreten Fall ging es um eine Rumänin in Leipzig, die seit Jahren in Deutschland lebt und "Hartz IV" beantragt hatte. Das Jobcenter wollte nicht zahlen, weil die Frau keine Arbeit aufnahm.
Ein Schlüsselsatz im Urteil der Luxemburger Richter: EU-Bürger von Sozialleistungen auszuschließen ist möglich, wenn die Zuwanderer nur das Ziel hätten, "in den Genuss der Sozialhilfe eines anderen Mitgliedsstaates zu kommen, obwohl sie nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen".
Genau das haben Politiker in mehreren EU-Staaten in den letzten Jahren als Missbrauch der Sozialsysteme ("Sozialtourismus") angeprangert.
"Armutstouristen"
In Deutschland berichteten mehrere Städte über Probleme mit Zuwanderern aus Bulgarien und Rumänien – für beide Länder gilt seit Jahresbeginn die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die CSU hatte zu Jahresbeginn eine Diskussion über "Armutstouristen" angefacht. Auch in Großbritannien wird seit Längerem eine hitzige Debatte über die Binnenmigration in der EU geführt. Die Regierung von Premierminister David Cameron hat die Regeln bei den Sozialhilfen verschärft, u. a. wurde arbeitslosen Einwanderern aus der EU das Wohngeld gestrichen. Grundsätzlich würden die Briten den Zuzug aus der EU gerne einschränken dürfen: Sie fordern Quoten für EU-Ausländer – und stehen damit in Brüssel alleine da.
"Die Freizügigkeit in der EU ist nicht verhandelbar. Aber es ist klar, dass von der EU kein Missbrauch und Sozialtourismus akzeptiert wird", sagte Manfred Weber, CDU-Fraktionschef im EU-Parlament, am Dienstag.
Mit dem EuGH-Urteil im Rücken könnten einige Länder nun ihre nationalen Sozialhilfe-Gesetze verschärfen – ohne auf eine EU-weite Regelung gegen Armutsmigration zu warten.
In Österreich ist "Sozialtourismus" noch nicht als Problem aufgetreten – auch dank strenger(er) Regeln. Während etwa Deutschland die Anmeldebescheinigung für EU-Bürger abgeschafft hat, muss man hierzulande die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts darlegen.
In der Praxis heißt das: Um Sozialleistungen zu beziehen, muss man sich melden. Wer langfristig legal im Land sein will, muss einen Job oder Vermögen haben. Mindestsicherung erhalten in Österreich nur erwerbstätige EU-Ausländer – oder solche, die fünf Jahre legal im Land waren.
Laut EU-Recht darf sich jeder EU-Bürger zwecks Arbeitssuche drei Monate lang in jedem EU-Land aufhalten. In dieser Zeit kann der Staat aber z. B. Unterstützung für Arbeitssuchende verweigern.
Das gilt nicht für alle Sozialleistungen: Kindergeld bekommt man als EU-Bürger im Ausland ab dem ersten Tag.
Im Oktober 2014 bekamen in Deutschland 4,314 Millionen erwerbsfähige Menschen Hartz IV. Dazu zählen neben Arbeitslosen auch berufstätige Aufstocker und Menschen, die Kinder bis zum dritten Lebensjahr versorgen oder Angehörige pflegen. Grundsätzlich gilt: Wer bedürftig ist, bekommt Hartz IV. Komplizierter ist die Sachlage für EU-Ausländer, die in Deutschland Hartz IV beantragen. Wer als EU-Bürger schon lange in Deutschland gewohnt und gearbeitet hat, unterscheidet sich nach dem Jobverlust kaum von einem Bürger mit deutschem Pass.
Anders ist dies bei Ausländern, die nach Deutschland einreisen: In den ersten drei Monaten erhalten sie kein Hartz IV, anschließend wird geprüft, ob sie zum Zweck der Arbeitssuche ins Land gekommen sind. Hat der Einreisende eine Arbeit in Deutschland gefunden und verliert sie wieder, kann er Hartz IV beziehen.
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