Die Menschen, die vor dem Festsaal warten, schert es nicht viel, warum Maaßen einst sein Amt verlor. Dass es weder mit der Kritik an Merkel oder dem Begriff Hetzjagd zu tun habe, sondern er in seiner Funktion als Behördenleiter nicht belegbare Thesen streute, ist hier egal. Ja, einige zweifeln sogar, „an allem, was so medial verbreitet worden ist“, sagt Gerhard aus Hoyerswerda. Er wisse nicht, „ob man das alles unbedingt glauben sollte“. Nachsatz: „So eine schlechte Arbeit kann er nicht geleistet haben.“ Was er sich von ihm erwartet? Die „Wahrheit“ zur Flüchtlingspolitik und warum nicht abgeschoben wird. Hans-Georg Maaßen, das wird in Gesprächen schnell klar, haftet ein Nimbus des Unbequemen an, einer der anspricht, was andere angeblich verschweigen. Ein Image, das er seit seiner Entlassung pflegt.
Mühelos wird er an diesem Nachmittag ihre Erwartungshaltungen bedienen. Mit einer Mappe in der Hand geht der 56-Jährige ans Pult. Knapp 90 Leute, viele im Seniorenalter, sitzen mit verschränkten Armen vor ihm, einige wählen CDU, andere AfD oder sind dort aktiv. Maaßen, der Jurist, mit der Goldbrille auf der Nase, legt sein Sakko ab, den Beamten in sich wird er nicht so schnell los. Er spricht nüchtern, teils monoton. Und erklärt den Menschen, dass er zwar ein West-West-Deutscher sei, ihre Mentalität sei ihm aber nicht fremd. Er verstehe ihre Motive und Beweggründe.
Er sei kein apokalyptischer Reiter, beschwichtigt er lächelnd, zeichnet dann aber ein düsteres Bild von Deutschland: Während man früher die Krisen der Welt im Fernsehen sah, kommen sie jetzt zu uns, so der Tenor. Die Zuhörer lauschen ohne Widerspruch. Nur ein paar junge Menschen in den hinteren Reihen schütteln den Kopf, wenn Maaßen beklagt, dass zu wenig abgeschoben werde oder die Kriminalstatistik heranzieht, der zufolge ein Großteil der Delikte von Ausländern begangen wird. „Darüber müssen wir reden“, deutet Maaßen mit sorgenvollem Ton an. Ohne auf die Ursachen einzugehen, warum es etwa vor allem junge Männer sind, die keine Perspektive haben; oder zu erläutern, wer unter dem Überbegriff gemeint ist – dazu gehören auch Touristen und Nicht-Deutsche, die auf der Durchreise sind. Auch beim Thema Seenotrettung kritisiert er die Rettung nach Europa, bringt aber keine Lösung. CDU-Mann Mackenroth grätscht ein und weist auf die Zustände in Libyen hin, dort sei schwer zu verhandeln.
Es sagt viel über die Verzweiflung im CDU-Landesverband aus: Ihr Versuch mit Maaßen Wähler zurückzugewinnen, ist eine riskante Strategie. Denn so überschaubar seine WerteUnion innerhalb der CDU ist, so laut tritt sie auf - fast wie eine innerparteiliche Opposition, die mit Maaßen einen prominenten Anführer hat. Er selbst beschreibt ihre Rolle so: Man sei dazu da, um die Bundespartei wieder daran zu erinnern, warum es sie gibt. Erinnert wird die CDU dann meist via Interviews oder in sozialen Netzwerken, was zu heftigen Gegenreaktionen von Parteimitgliedern führt. Mit dem liberaleren Pendant "Union der Mitte" liefern sich die Wertkonservativen regelmäßige digitale Scharmützel. Ob sich so das Vertrauen zu den Wählern wiederherstellen lässt oder man sie noch mehr verunsichert?
Diese Frage stellt sich auch mit Blick auf die Zusammenarbeit mit der AfD. Während sich Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer und andere Teile der CDU extrem scharf von der Partei abgrenzen, werden diese Grenzen an anderer Stelle leicht verwischt. Die AfD sei nicht extremistisch und sie vertrete Positionen, die früher auch in der Union waren, erklärt Maaßen an diesem Nachmittag. Für Roland, einen Pensionisten aus Riesa, der seit 2017 nicht mehr CDU wählt, gibt es am Ende nicht viel zu überdenken. Die Unterschiede seien ja gering, habe er heute gehört.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der parallel zum Maaßen-Besuch in Dresden seinen Wahlspot vorstellte, zeigte sich Reportern gegenüber wenig angetan über den Wahlhelfer. Er hätte Maaßen nicht eingeladen.
Dieser scheint sich in seiner Rolle zu gefallen. Locker sitzt er gegen Ende im Sessel und stichelt gegen den „enger werdenden Meinungskorridor“. Für ihn selbst kann dieser aber nicht so eng sein. Auf Twitter gibt er sich seit der Entlassung enthemmt. Mal vergleicht er die Schweizer NZZ mit Westfernsehen und postet einen Artikel zu Städten, wo Deutsche ohne Migrationshintergrund die größte Gruppe sind. Oder er gibt einem Magazin der Neuen Rechten ein Interview. Dass er sich damit auf schmalen Grat bewegt, Debatten auslöst, ist dem Profi bewusst. Die Provokation wirkt einkalkuliert.
So auch seine These, der Klimaschutz sei in Deutschland wichtiger als Sicherheit. Noch bevor er ausreden kann, gibt es Applaus. Maaßen lächelt. Die Union, die gerade versucht, Versäumnisse aufzuarbeiten, wird es ihm danken. Etwas unbefriedigt wirkten manche Besucher aber nach seiner Prognose, wonach die AfD „derzeit nicht koalitionsfähig ist. Aber, man weiß nie, wie sie sich entwickelt“, ergänzt er. Das fragen sich manche auch bei ihm.
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