Deutschland: Der seltsame Aufstieg des Dr. Maaßen
Eine Krise wurde abgewendet – so lautet aus Sicht der deutschen Regierung die gute Nachricht in der Causa Maaßen. Verlesen wurde sie aber von keinem der Parteichefs, die Dienstagabend im Kanzleramt tagten. Nur ein dürres Schriftstück schickte man nach draußen. Die Lösung, die Konfliktstoff birgt: Der umstrittene Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen muss seinen Posten räumen, wechselt aber als Staatssekretärin ins Innenministerium von Horst Seehofer. Damit erklimmt der 55-Jährige eine höhere Besoldungsstufe (er verdient um etwa 2000 Euro mehr, sein Gehalt steigt auf knapp 14.000), was deutsche Medien als „Strafbeförderung“ kommentierten.
Für den Politologen Thorsten Faas von der Freien Universität Berlin zeigt die Entscheidung, „wie stark die Orientierung der Koalition nach innen gerichtet ist, um zusammen zu bleiben. Welche Außenwirkung damit verbunden ist, scheint dabei zweitrangig zu sein.“
Bei Oppositionspolitikern sowie Teilen der SPD, die sich seine Ablöse zwar auf die Fahnen schreiben können, stieß der Wechsel auf heftige Kritik. Für SPD-Parteivize Ralf Stegner ist es eine „gravierende Fehlentscheidung, die der Politik insgesamt auf die Füße fallen wird“. Ähnlich sieht es Faas: „Es bedient natürlich die Vorwürfe, die populistische Parteien formulieren. Und auch die Vorurteile vieler Bürger. Insofern schadet es nicht nur dem Ansehen einzelner Akteure, sondern Politik und Parteien insgesamt.“
In den Reihen der Union, wo Maaßen viele Befürworter hat, scheint die Entscheidung beruhigt zu haben. CDU-Innenexperte Armin Schuster spricht von einer „unkonventionellen Lösung“, aber auch einem klaren Signal pro Maaßen.
SPD-Staatssekretär muss gehen
Dem nicht genug, verkündete Innenminister Horst Seehofer am Mittwoch, dass er für Maaßen den einzigen SPD-Staatssekretär in seinem Ministerium mit 55 Jahren in den Vorruhestand schickt. Nichts spreche gegen dessen Leistungen, aber es sei halt die Folge der Rochade, sagte Seehofer achselzuckend. Die SPD trage das mit: Man habe alles niedergeschrieben, es könne kein Missverständnis geben. Damit war die verbale Bombe draußen und schlug in der SPD voll ein. Für Juso-Chef Kevin Kühnert ist damit die „persönliche Schmerzgrenze erreicht“. In der ARD sagte er, für die SPD sei der „Preis zu hoch für den Fortbestand der Koalition“. Die Parteispitze ist indessen um Schadensbegrenzung bemüht. Andrea Nahles verteidigte sich nun im ZFD und erklärte, sie sei wegen dieser Personalie nicht bereit gewesen, die Regierung zu stürzen - "bei allen Schmerzen, die einem das macht". Die Vorsitzende finde Maaßens Wechsel ebenso schwer erträglich. "Und ich halte das auch für falsch", sagte Nahles. Sie will trotz Kritik in den eigenen Reihen weiter an der Koalition festhalten. Für Sonntag ist ein Krisentreffen geplant. Ob sich die neue Debatte über Sinn und Unsinn der Regierungsbeteiligung in eine veritable Krise ausweitet, wird sich zeigen. Politologe Faas ortet jedenfalls großen Druck auf die Parteiführung, "den darf man sicherlich nicht über strapazieren."
Seehofer will's nicht gewesen sein
Und während sich in der SPD viele über die Parteichefin echauffieren, gibt sich ein andere unschuldig: Horst Seehofer. Er sei nicht für diese Debatte verantwortlich, erklärte er gestern bei einer Pressekonferenz zur neuen Personalie in seinem Haus. „Das Thema ist ja nicht mein Thema gewesen. Ich hätte ja die Versetzung von Herrn Maaßen nicht betrieben.“ Warum er sich auf die Ablöse eingelassen hat, erklärte er so: „Wenn ich feststellen muss, dass ein Koalitionspartner das Vertrauen nicht hat, kann man monatelange weiter diskutieren oder einer Lösung suchen.“
Dass Maaßen nun als einer von acht Staatssekretären und politischer Beamter seine rechte Hand wird, dürfte ihm nicht missfallen. Seehofer, der weiß, dass ihm im Sinne des Koalitionserhalts kein Rausschmiss droht, hat aus seiner Lage das Maximum herausgeholt, sind sich politische Beobachter einig. Er und Maaßen gelten als Brüder im Geiste, nun arbeiten sie eng in der Sicherheitspolitik zusammen. Wer auf Maaßen im Verfassungsschutz nachfolgen soll, ist bis dato offen. Fest steht - zumindest aus Seehofers Sicht - dass er allen Gerüchten zum Trotz noch länger im Amt sein wird und die Nachfolge regeln will: „Gehen Sie davon aus, dass beim Umsetzen dieser Maßnahmen ich auch noch vor Ihnen stehen werde.“
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