Seit Hamas-Überfall: Schlimmste Antisemitismus-Welle weltweit seit 1945

Eine israelische Flagge wird verbrannt
Die Zahl der antisemitischen Vorfälle hat 2023 weltweit einen Höchststand erreicht. Der Gaza-Krieg hat die Lage nur noch weiter verschlimmert, zeigt eine neue Studie.

Seit dem Terrorüberfall der islamistischen Hamas auf Israel und der darauf folgenden Militäroffensive der israelischen Armee gegen Gaza ist es zum schlimmsten Ausbruch von Antisemitismus seit dem Zweiten Weltkrieg gekommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Tel Aviv. Wenn dieser Trend anhalte, würden Juden ihre Identität künftig in der westlichen Welt nicht mehr in Sicherheit und Freiheit leben können, heißt es in dem am Sonntag veröffentlichten Bericht.

So habe es etwa im vergangenen Jahr in den USA durchschnittlich drei Bombendrohungen pro Tag gegen Synagogen und jüdische Einrichtungen gegeben. „Dieser Bericht überbringt schlechte Nachrichten“, heißt es im Vorwort des Jahresberichts der Universität und der Anti-Diffamierungsliga aus den USA zu Antisemitismus.
Doch die Autoren warnen auch vor Panik. „Die Bedrängnis und Gefahr, in der sich Juden derzeit befinden, sollte nicht überbewertet werden. Wir leben nicht im Jahr 1939, geschweige denn 1942“, stellten sie klar. 

Allerdings habe der Antisemitismus schon in den Monaten und Jahren vor dem 7. Oktober stetig zugenommen, und „der Krieg in Gaza hat diesen bereits außer Kontrolle geratenen Brand weiter angefacht“.

So seien in den USA, wo rund sechs Millionen Juden lebten, zwischen Jänner und September 2023 insgesamt rund 3.500 antisemitische Vorfälle gezählt worden, in den drei letzten Monaten des Jahres seit dem Hamas-Überfall jedoch fast 4.000. Auf das Gesamtjahr betrachtet habe es laut Bericht 2023 in den USA die höchste Zahl antijüdischer Hassverbrechen gegeben, die jemals registriert wurde. (Seit 1979 gibt es jährlich einen Bericht)

Ähnlich sei das Bild auch in anderen Ländern wie Deutschland, wo von Jänner bis September vergangenen Jahres 1.365 antisemitische Ereignisse gezählt wurden; aber nach der Hamas-Terrorattacke stiegen die antisemitischen Vorfälle von Oktober bis Dezember auf 2.249.

In Frankreich stieg die Zahl der Vorfälle im Zeitraum Jänner bis September 2023 auf 434 im Vergleich zu 329 im selben Zeitraum von 2022. In Großbritannien von 1270 auf 1404. Auch in Australien explodierte der Judenhass nach dem 7. Oktober: Allein in den Monaten Oktober und November 2023 wurden 622 Vorfälle gemeldet, im Vergleich zu 79 im selben Zeitraum von 2022. 

Außerhalb von Europa ist Brasilien negativer Spitzenreiter. Hier stieg die Zahl um mehr als das Vierfache von 432 auf 1774.

Nur kurz Rückgang in Österreich

Besser sah es hingegen in den ersten neun Monaten des Vorjahres in Österreich aus: Es wurden weniger Vorfälle gemeldet. Den Grund dafür sieht der Bericht im nationalen Programm zur Antisemitismusbekämpfung. Doch auch in Österreich nahmen die antisemitischen Vorfälle zu, nachdem die Hamas Israel angegriffen hatte. Insgesamt registrierte der Bericht der Uni Tel Aviv und der Anti-Diffamierungs-Liga in den USA im Vorjahr 1.147 antisemitische Übergriffe  - nach 719 im Jahr 2022.

Der Bericht warnt allerdings davor, diese Entwicklung mit „einer emotionalen Reaktion auf den Krieg und die Katastrophe, die er über die Zivilbevölkerung gebracht hat“, zu erklären. Das sei nicht richtig, weil einige der abscheulichsten antisemitischen Äußerungen im Zusammenhang mit dem Konflikt schon in den ersten Tagen nach dem 7. Oktober geäußert worden seien, als Israel seine Militäraktion noch nicht begonnen habe.

Antisemitismus komme von der extremen Rechten sowie der extremen Linken und greife auf die Mitte der Gesellschaft über. Verbreitet würden solche Botschaften oft über soziale Medien, die es Böswilligen ermögliche, Unwahrheiten, Verleumdungen und Verschwörungstheorien zu verbreiten, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Eine wichtige Lehre aus dem Gaza-Krieg sei, dass es keinen Frieden im Nahen Osten geben werde, wenn der Antisemitismus in den arabischen Gesellschaften nicht endgültig überwunden werde, schrieben die Autoren. Die Forderung nach entsprechenden Maßnahmen sollten bei allen künftigen diplomatischen Prozessen eine grundlegende Rolle spielen.

Der 150-seitige Bericht enthält Aufsätze zu verschiedenen Ländern sowie eine Studie über die Profile der Verbreiter antisemitischer Inhalte auf X. Untersucht wurde auch die Ausbreitung antisemitischer Diskurse in der arabischen Welt, der Türkei und im Iran nach dem 7. Oktober.

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