Kulturstadträtin: "Für Antisemitismus gibt es bei den Wiener Festwochen keinen Platz"

Kulturstadträtin: "Für Antisemitismus gibt es bei den Wiener Festwochen keinen Platz"
Veronica Kaup-Hasler zu Antisemitismusdebatte: Es dürfe auf keinen Fall zugelassen werden, "dass wir hier Gesinnungsprüfungen jedweder Art einführen".

"Für Antisemitismus gibt es bei den Wiener Festwochen keinen Platz", sagte Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler am Montag im Wiener Gemeinderat. 

Ein so selbstverständlicher wie erstaunlicher Satz, der aus einer giftigen Debatte rund um das Kulturfestival resultiert: Intendant Milo Rau hat in einen "Rat der Republik" unter anderem Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux und den ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis eingeladen, die beide durch überschießende Israel-Kritik bzw. Parteinahme im Gaza-Konflikt in die Schlagzeilen kamen. Es hagelte Kritik.

Nun nahm Kaup-Hasler zu den Vorwürfen Stellung. "Als Stadträtin nehme ich keinen Einfluss auf die Programmierung und Kuratierung der fördernehmenden Institutionen", sagte sie. Ernaux und Varoufakis werden "in Wien nicht persönlich anwesend sein", betonte sie, "sondern sind Teil des ,Rats der Republik'. Der ist ein künstlerisches Format und kein politisches Gremium.  Es geht hier um eine Spiegelung der Positionen des gesamten gesellschaftlichen Spektrums, wo Positionen und Gegenpositionen formuliert werden können." 

Kritik kam im Vorfeld unter anderem daran, dass die Positionen von Ernaux und Varoufakis nichts Konstruktives zum Meinungsspektrum in Österreich beitragen können. Ernaux unterstützte Positionen, die auch von der antisemitischen Intiative BDS vertreten werden. Diese fordert Boykott (unter anderem kulturell), das Abziehen von wirtschaftlichen Investitionen und Sanktionen gegen Israel. Der Österreichische Nationalrat verurteilte 2019 aus Anlass der BDS-Bewegung "israelbezogenen Antisemitismus".

Die Politik in Wien hat sich bereits geschlossen ablehnend zu der geplanten Mitwirkung der französischen Autorin geäußert. Kürzlich wurde im Gemeinderat ein entsprechender Resolutionsantrag von allen Parteien unterstützt - also auch von der SPÖ. „Ernaux ist nicht nur bekennende Unterstützerin der BDS-Bewegung. Sie hat sich auch 2019 an Aufrufen zum Boykott des in Tel Aviv ausgetragenen Eurovision Song Contest beteiligt, die Begnadigung Georges Abdallahs gefordert, der 1982 einen amerikanischen Offizier und einen israelischen Diplomaten getötet hat, und 2021 einen Brief unterstützt, der Israel der Apartheid bezichtigt“, hieß es im Antrag.

"Wir fördern nicht die BDS as such, auf keinen Fall,", sagt nun Kaup-Hasler. "Ich finde Boykott, Deinvestment und Sanktionen als generelles Tool falsch. Egal wo. Aber die Einladung dieser Personen ist in einem ganz anderen Zusammenhang zu werten." Dieser ist die "Demokratie- und Meinungsfreiheit": "Wir sind in Zeiten, wo wir diesen Austausch von unterschiedlichen Positionen in der Gesellschaft dringend brauchen und wo gerade in der Kunst, Philosophie, Wissenschaft dieser Austausch auch möglich gemacht wird."

Keine "Gesinnungsprüfungen"

Es dürfe auf keinen Fall zugelassen werden, "dass wir hier Gesinnungsprüfungen jedweder Art einführen. Das geht nicht. Dort, wo Grenzen wirklich überschritten werden, wo Propaganda herrscht, muss sich auch eine Öffentlichkeit zu Wort melden. Wir sind in einem Land, wo es genug Mechanismen gibt, es gibt die Justiz und ganz klare Linien, die nicht übertreten werden dürfern. Es gibt eine öffentliche Meinung und auch Medien, die reflektieren können. Und die natürlich auch ganz klar sagen: Das ist eine Position, die wir nicht vertreten." 

Die Kulturstadträtin wendet sich gegen "Gesinnungsprüfungen jedweder Art". Das hat den KURIER veranlasst, nachzufragen: Gilt das auch für Rechtsextreme?

Die Antwort:

„Gesinnungsprüfungen sind demokratiepolitisch höchst fragwürdig und gefährlich, denn sie werden oft in totalitären Regimen benutzt, um Meinungsabweichungen zu verhindern; sie kontrollieren Äußerungen und Handlungen und sind darüber hinaus häufig mit Diskriminierung oder anderen Repressalien für andersdenkende Personen verbunden. In demokratischen Gesellschaften garantiert die Kunstfreiheit Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen ein kreatives und kritisches Arbeiten; sie haben das Recht zur freien Meinungsäußerung. Das heißt gleichzeitig, dass wir als Gesellschaft auch Meinungen aushalten müssen, mit denen wir im Einzelfall nicht übereinstimmen. Ich habe allerdings vollstes Vertrauen in die Instanzen und Mechanismen unserer Demokratie. Diese setzen klare Grenzen gegen Rechtsverstöße und ahnden diese.

Darüber hinaus sind die Voraussetzungen für die Förderungen durch die Stadt Wien eindeutig. Diese Richtlinien sind für die Fördernehmer*innen bindend – zum Zeitpunkt der Einreichung und während des ganzen Förderverhältnisses. Die Kulturabteilung prüft genauestens, für welchen Zweck oder für welche Maßnahme eine Förderung gewährt wird. Primär wird von der Kulturabteilung sowie den Jurys und Gremien die künstlerische oder wissenschaftliche Qualität bewertet. Selbstverständlich sind antisemitische oder extremistische Inhalte in keinem Fall mit dem Leitbild der Kulturabteilung vereinbar.“

Kaup-Hasler selbst ziehe "meine persönlichen Grenzen. Aber ich lasse zu, wenn verschiedene Kulturinstitutionen ein Feld des Dialogs bereithalten. Das hat nichts mit Propaganda zu tun, im Gegenteil: Es ist wichtig, dass wir dieses demokratische Gespräch aufrecht erhalten in Zeiten, die uns alle herausfordern. Niemand kann gut mit diesen Bildern umgehen, die wir täglich im Fernsehen bekommen."  

"Wiener Prozess" gegen die FPÖ

Die FPÖ nützte die Bühne des Gemeinderats, um sich gegen die "Wiener Prozesse" im Rahmen der Festwochen auszusprechen, bei denen u. a. die Frage gewälzt werden soll, ob die FPÖ verboten werden müsse. Kaup-Hasler verwies auf andere Themen, die in den Prozessen vorkommen sollten, und sagte, dass "alle Themen unserer Zeit" „spielerisch am Theater verhandelt werden. Das ist eine sehr spannende Auseinandersetzung. Das ist das Wesen der Kunst, dass sie ab und zu Formate kreiert, die erstaunlich sind. Die im politischen Alltag so nicht stattfinden können. Ich bin nicht Dramaturgin. Ich bin neugierig. Ich glaube, es ist sehr ausgewogen eingeladen worden.“ 

ÖVP: Völlig inakzeptabel

ÖVP-Gemeinderätin Laura Sachslehner, die die Anfrage stellte, bezeichnete die Aussage Kaup-Haslers heute in einer Reaktion als „völlig inakzeptabel“. Trotz des einstimmigen Beschlussantrags werde von der Personalie nicht abgegangen, zeigte sie sich enttäuscht. Somit werde antisemitischen Ansichten eine Bühne geboten. „Anstatt endlich klare Kante zu zeigen, wird dies seitens Stadträtin Kaup-Hasler sogar noch entsprechend beschönigt und davon gesprochen, dass es sich doch um ein künstlerisches und nicht um ein politisches Gremium handelt“, kritisierte Sachslehner in einer Aussendung.

Kommentare