Hamas lehnt Feuerpause ab, Gespräche in Washington über Zeit nach Krieg

Hamas lehnt Feuerpause ab, Gespräche in Washington über Zeit nach Krieg
Die radikalislamistische Hamas lehnt einen Plan von Ägypten über eine kurze Feuerpause ab. In Washington sollen Gespräche über die Zeit nach dem Krieg laufen.

Im Krieg in Gaza zeichnet sich kein Einlenken der Konfliktparteien ab. Nach Berichten über einen Plan Ägyptens für ein Kriegsende lehnte die islamistische Hamas Montagabend eine Feuerpause ab und forderte dauerhaften Waffenstillstand. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte indes eine Verstärkung des Militäreinsatzes an und bezeichnete die Zerschlagung der Hamas als Voraussetzung für Frieden. An der Grenze zu Gaza gab es in der Nacht auf Dienstag erneut Raketenalarm.

Der israelische Minister für Strategische Fragen, Ron Dermer, wird am Dienstag laut einem Medienbericht zu Gesprächen in Washington erwartet. Dermer wolle mit Israels wichtigstem Verbündeten eigene Pläne für eine neue Phase geringer Intensität im Krieg erörtern, die bis Ende Jänner beginnen soll, meldete das Nachrichtenportal Axios unter Berufung auf zwei israelische und US-Beamte. Die USA wollen, dass Israel zu gezielteren Einsätzen gegen die Hamas übergeht. Angesichts der hohen Zahl auch ziviler Todesopfer im Gazastreifen ist der israelische Militäreinsatz international stark kritisiert worden.

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Hamas lehnt Feuerpause ab, Gespräche in Washington über Zeit nach Krieg

Raketen aus Gaza auf Israel, 25. Dezember 2023.

Netanjahu: "Israel handelt nach Völkerrecht"

Da gegen verwahrte sich Netanjahu in einem am Dienstag veröffentlichten Gastbeitrag im Wall Street Journal: Israel handle "weiterhin in voller Übereinstimmung mit dem Völkerrecht" und unternehme sein Bestes, um die Zahl ziviler Opfer "so gering wie möglich" zu halten. Nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde wurden bisher mehr als 20.600 Menschen getötet. "Israel zu Unrecht die Schuld an diesen Opfern zu geben, wird die Hamas und andere Terrororganisationen auf der ganzen Welt nur dazu ermutigen, menschliche Schutzschilde einzusetzen", schrieb Netanjahu.

"Um diese grausame und zynische Strategie unwirksam zu machen, muss die internationale Gemeinschaft voll und ganz der Hamas die Schuld an diesen Opfern geben. Sie muss anerkennen, dass Israel die größere Schlacht des zivilisierten Krieges gegen die Barbarei kämpft", meinte der Regierungschef. Derweil erntet Netanyahu auch im eigenen Land Proteste. Angehörige forderten am Montag während einer Rede des Regierungschefs im Parlament mit Sprechchören Maßnahmen zur Befreiung der noch mehr als 100 im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln. "Sofort! Sofort!" riefen sie immer wieder von der Parlamentstribüne im Chor.

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Viele fordern eine zweite Feuerpause für einen Austausch der Verschleppten gegen in Israel inhaftierte Palästinenser. Die Hamas lehnte jedoch am Montagabend eine vorübergehende neue Feuerpause ab und forderte einen dauerhaften Waffenstillstand. Die Terrororganisation reagierte damit auf einen arabischen Medienbericht, Ägypten habe einen Entwurf zur Beendigung des Gaza-Kriegs in mehreren Stufen erarbeitet. Dieser sehe unter anderem eine mindestens zweiwöchige Feuerpause vor, hieß es.

Hamas lehnt Feuerpause ab, Gespräche in Washington über Zeit nach Krieg

Palästinenser auf der Flucht im Gazastreifen, 25. Dezember 2023.

Gespräche im Hintergrund über Zeit nach dem Krieg

"Die Hamas muss zerstört werden, der Gazastreifen muss entmilitarisiert und die palästinensische Gesellschaft muss entradikalisiert werden. Dies sind die drei Voraussetzungen für einen Frieden zwischen Israel und seinen palästinensischen Nachbarn im Gazastreifen", schrieb Israels Regierungschef in seinem Gastbeitrag. Er hatte am Montag bei seinem Truppenbesuch von einem langen Kampf gesprochen, dessen Ende nicht kurz bevorstehe. Dennoch laufen im Hintergrund bereits diplomatische Gespräche über die Zeit danach. Darüber will laut Axios auch Netanjahus Minister für Strategische Fragen bei seinem Besuch in Washington reden.

Die USA setzen auf eine neu belebte und umgestaltete Palästinensische Autonomiebehörde (PA) von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Washington wolle den Weg ebnen, dass die im Westjordanland regierende, aber angeschlagene Behörde auch in Gaza wieder die Kontrolle übernimmt, schrieb die Washington Post am Dienstag. Netanjahu hat diese Idee bisher abgelehnt. In den vergangenen Wochen hätten Dermer und andere Beamte jedoch begonnen, mit US-Kollegen über eine "reformierte" PA zu sprechen, berichtete Axios weiter.

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Doch zuerst will Netanjahu Gaza nach einer Vernichtung der Hamas entmilitarisiert wissen, wie er im Wall Street Journal schrieb. Dass die PA den Gazastreifen entmilitarisiere, sei ein "Wunschtraum", heißt es in seinem Beitrag weiter. "Sie hat es nicht geschafft, bevor die Hamas sie 2007 aus dem Gebiet vertrieben hat, und sie hat es auch in den heute von ihr kontrollierten Gebieten nicht geschafft", schrieb Netanyahu. Auf absehbare Zeit werde Israel die "oberste Sicherheitsverantwortung" für den Gazastreifen behalten müssen.

Keinen sicheren Ort im Gazastreifen

In dem Küstenstreifen wird die humanitäre Lage immer schlimmer. Die schon mehrfach vertriebenen Palästinenser finden keinen sicheren Platz. "Es gibt keinen sicheren Ort im Gazastreifen", sagte Gemma Connell, Leiterin des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, am Montag über die Situation der Zivilbevölkerung. Viele Palästinenser seien den Evakuierungsbefehlen der israelischen Armee gefolgt und hätten sich in den ausgewiesenen Gebieten in Sicherheit gebracht, um dann festzustellen, dass es in dem dicht besiedelten Gebiet nur noch wenig Platz gebe. Es sei ein "menschliches Schachbrett" auf dem Tausende von Menschen, die bereits mehrfach vertrieben worden seien, erneut auf der Flucht seien, ohne dass es eine Garantie gebe, dass ihr Ziel sicher sei, schilderte Connell.

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