Seit Ende November konnten sich Israel und die Hamas auf keine weitere Freilassung von Geiseln einigen. Und auch wenn es der israelischen Armee, wie am vergangenen Samstag, unter höchstem Aufwand sporadisch gelingt, einzelne Geiseln zu befreien, werden noch immer bis zu 116 von ihnen im Gazastreifen gefangen gehalten. Darunter auch ein Österreicher: der 38-jährige Tal Shoham, Adis Ehemann und Vater von Naveh und Yahel.
Erst nach ihrer Freilassung erfuhr die Familie, dass auch der Vater entführt wurde. Seither ist Adi Shoham wöchentlich im Austausch mit Vertretern der Regierung, täglich gibt es Treffen mit anderen ehemaligen Geiseln und deren Angehörigen. In Wien, wo die Familie von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) empfangen wird, will sie darauf aufmerksam machen, dass mehr getan werden muss, um die verbliebenen Geiseln freizubekommen.
Um ihren Mann zu schützen, will sie aber nicht öffentlich sprechen – davon habe man ihr in Israel abgeraten. Stattdessen stellt sich ihre Schwester Shaked Haran den Medienvertretern.
"Ein unmenschliches Gefühl, das niemand durchleben sollte"
Seit 247 Tagen befindet sich der Familienvater in den Händen der Terroristen, fast fünfmal so lange wie der Rest der Familie. „Die Zeit vergeht nicht so wie in Freiheit“, erklärt Shaked Haran. Ihre Schwester habe die Kinder jede Nacht zu Bett gebracht, ohne zu wissen, ob sie den Morgen erleben werden. Sicher habe sie sich erst dann wieder gefühlt, als sie in Israel angekommen war. „Das ist ein unmenschliches Gefühl, das niemand durchleben sollte.“
Trotz dieser langen Zeit habe sich die Familie nach acht Monaten „gewissermaßen“ an die Situation gewöhnt, selbst Auftritte wie dieser gehören nun zum neuen Alltag. Während der kleine Naveh also am Boden liegend Fußballer in ein Heft malt, sagt die Tante: „Das ist die besondere Kraft der Kinder – manchmal können sie alles um sie herum vergessen.“
"... dann wird es Nachahmer geben"
Wie viele andere Geiselangehörige, die jeden Samstag auf den Straßen Tel Avivs demonstrieren, fordert auch Tal Shohams Familie einen neuerlichen Waffenruhe-Deal: „Nur so können wir die verbliebenen Geiseln sicher herausbekommen.“
Doch die meisten Vorschläge, die von anderen Staaten ausgearbeitet werden, beinhalten neben einer Einigung über eine Waffenruhe und einen Gefangenenaustausch auch langfristige Lösungen für den Gazastreifen. „Und das“, meint Shaked Haran, „ist für Israels Regierung sehr, sehr schwierig anzunehmen.“ Würde nämlich ein solcher Deal eine Zweistaatenlösung beinhalten, „dann wäre die Hamas mit ihrem Terrorangriff erfolgreich gewesen.“
Es sei grundsätzlich entscheidend, wie die Weltgemeinschaft mit diesen Geiselnahmen umgehe, sagt die Israelin: „Diese Massenentführungen müssen doch die ganze Welt aufrütteln, das ist nicht nur Israels Problem. Die Hamas hat damit ein neues Kriegswerkzeug geschaffen – und wenn sie damit langfristig erfolgreich ist, wird es Nachahmer geben.“
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